Klassenerhalt und königliches Feiern

■ Dank eines 2:2 bei Karlsruhe bleibt der FC St. Pauli in der ersten Bundesliga Von Rainer Glitz

Im Moment des Erfolges zeigte sich Uli Maslo von seiner großzügigen Seite. „Bis Dienstag wollen wir uns aufs Feiern konzentrieren“, gab der Coach des FC St. Pauli nach dem abstiegsverhindernden 2:2 in Karlsruhe seinen Spielern ganz offiziell die Erlaubnis, nicht nur Montag blauzumachen. Zuvor hatte der 57jährige schon seiner mitgereisten Ehefrau ein Küßchen gegönnt. Seine Jungs hielten sich derweil an die taktische Marschroute für die dritte Halbzeit – sie feierten lautstark im Wildparkstadion, im ehemaligen Jagdgehege des Badischen Königs gelegen.

Übungsleiter Maslo allerdings wirkte auch eine halbe Stunde nach dem „sehr, sehr wichtigen Punkt“ immer noch angespannt. Fast, als könne er den Klassenerhalt immer noch nicht glauben. Kein Wunder, kaum jemand hatte damit gerechnet, daß sich der FC schon einen Spieltag vor Schluß retten würde. Die meisten Fans waren davon ausgegangen, daß der entscheidende Schritt erst nächsten Sonnabend gegen Absteiger Uerdingen getan würde – im letzten Spiel der Saison. Nun also eine Woche früher, umso unerwarteter und schöner.

Schon der Auftakt war verheißungsvoll. Gleich die erste Chance nutzte der Aufsteiger: Nach zwölf Minuten versenkte Holger Stanislawski, offenbar inspiriert vom Tor gegen den HSV, das Leder per Kopf Claus Reitmaiers Tor. Dessen Vornamensvetter auf der anderen Seite rückte in den nächsten Minuten in den Blickpunkt. Mittlerweile von Thomas Icke Hässler warmgeschossen, geriet Klaus Thomforde mit Burkhard Reich aneinander. Ein Foul von Reich, ein bißchen Theater von Klaaauaus – macht: Freunde fürs Leben. Der Karlsruher A-Block kommentierte von nun an jede Aktion des direkt unter ihm spielenden Keepers mit zunehmend unwirschen Äußerungen.

Zu tun bekam Thomforde in der Folge reichlich, denn die Herren Hässler, Kirjakow und Bender zeigten nun zumindest ansatzweise ihr Können, was nicht genug war. Der Publizist Walter Jens hätte sich ob der meisterhaften Leistung des FC-Torwarts bestätigt gefühlt: In der neuesten Ausgabe des SZ-Magazins hatte der gebürtige Hamburger Klaus Thomforde für seine EM-Traumelf nominiert – „nur er!“ Vor der Halbzeit tat sich dann nicht mehr viel: Christian Springer wies höflich ein Gastgeschenk ab, und mit der gelben Karte gegen Thomforde fand der Nervenkrieg des A-Blocks vorerst sein Ende.

Fünf Minuten nach Wiederanpfiff schien das Unheil jedoch seinen erwarteten Lauf zu nehmen: Auf der Anzeigetafel wurde das Portrait von Sean Dundee eingeblendet, weil der Südafrikaner Thomforde doch hatte überwinden können. Maslo verfolgte diese Szene im Stehen – wie angewurzelt verharrte er im linken oberen Eck der Coaching-Zone. Und es kam noch schlimmer: Elfmeter für den KSC in der 67. Minute, Sekunden später dann Icke lächelnd auf der Anzeigetafel. Im gut gefüllten St.- Pauli-Block wurde nur noch eine Totenkopffahne geschwenkt.

Doch Glück gehört dazu: Zwölf Minuten vor Ende senkte sich eine Bogenlampe von Christian Springer ins Karlsruher Gehäuse. „You never walk alone“ und Totenköpfe überall. Dann der Schlußpfiff: Jubelszenen am Mittelkreis und vor dem Fanblock. Anschließend nur noch eines: feiern.