■ Schöner leben
: Lingling im Alter

Es ist Frühlingling, du gehst über den Teerhof, da liegt ein Pfennig. Blinkend vor Glück. Es ist Frühlingling, aber du bückst dich nicht. Du denkst an deinen Hexenschuß.

Sprechen wir übers Altern. Das Altern schleicht sich durch die Hintertür. Gestern war es noch nicht da. Gestern lachtest du noch in der Gaststätte über die launig gestellte Frage, ab wann man eigentlich einen Seniorenteller bestellen darf. Haha.

Heute aber. Heute erzählst du deiner Schwiegermutter eine mäßig spannende Geschichte. Schwiegermutter aber schaute immer interessierter, ja begeisterter drein. Um dann zu jubeln, wie schön es sei, daß auch du jetzt schon Geschichten zum zweiten Mal erzählst. Haha.

Es ist Frühlingling, und du gibst jeden Widerstand gegen den Altherrenkanal im Radio auf. Aus der Vergangenheit tauchen Erinnerungen auf. Weiß du noch? Damals, als du wegen dem Dicken in der Hose nicht richtig laufen konntest? Und zwar unabhängig von der Jahreszeit. (Bewegung im Publikum. Eine Männerstimme: „Danke, Herr Straßmann, daß Sie uns die Erinnerung an eine längst verwehte Empfindung wiedergaben!“ Mehrere Damen, errötend: „Das war uns so in der Form nicht bewußt! Wir hatten uns schon des öfteren gefragt ... Merci, Herr Straßmann, für die kleine Aufklärung!“ Rhythmisches Rufen, Klatschen, Stampfen. Straßmann ab zum linken Bühnenrand, humpelnd, eine Hand ins Kreuz gedrückt, in der anderen einen Seniorenteller schwenkend. Alle singen: „Im Frühtau zu Berge...“)

Burkhard Straßmann