„Die Machtfrage wieder neu stellen“

■ Belladonna, das größte deutsche Frauen-Presse-Archiv, wird zehn Jahre alt. Der Etat ist seither um ein Drittel geschrumpft

Ein rauschendes Fest wird Belladonna erst im nächsten Jahr veranstalten. Dann wird das größte Frauen-Presse-Archiv im deutschsprachigen Raum zehn Jahre alt. Zum zehnjährigen Bestehen des Belladonna-Vereins kamen am Samstag schon einmal 150 Frauen zum Tag der offenen Tür.„Wenn es uns nächstes Jahr noch gibt, feiern wir richtig“, sagt Maren Bock, Gründerin und Kopf des Frauenarchives Belladonna. 1986 gründete sie mit zwölf anderen Frauen den Verein Belladonna. Bereits an der Uni Bremen hatten sie das erste Frauenprojekt durchgesetzt. Über „Lebensentwürfe und Perspektiven von Frauen in der bürgerlichen Gesellschaft“ hatten sie geforscht.

Was sich heute altbacken anhört, war damals revolutionär. Anfang der achtziger Jahre gab es selbst an der linken Bremer Uni keine Frauenstudien. Auch die verschiedenen Bremer Frauenprojekte hatten sich noch nicht gegründet. „Wir wollten deshalb aus tagespolitischer Sicht Stellung zu Frauenthemen beziehen“, sagt Maren Bock.

Als zum Beispiel 1988 drei Prostituierte in Bremen ermordet wurden, veranstaltete Belladonna Diskussionen und Vorträge zu Prostitution und Gewalt. Nach den fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Hoyerswerda und Solingen setzten die Belladonna-Frauen 1993 das Thema Migrantinnen und Rassismus auf ihre Agenda. Im selben Jahr hatte die Bundesregierung das Grundrecht auf Asyl aus dem Grundgesetz gestrichen.

„Wie heißt es so schön – am Puls der Zeit sein“, sagt Bock. Das sei ihr und ihrer Kollegin Monika Brunnmüller geglückt. Kein Wunder, daß sie in diesem Jahr Vorträge und Diskussionen zum Thema „Frauen und Armut“ organisiert haben. Damit haben sie selbst Erfahrungen. Die Kulturdeputation hat Belladonna im März die Subventionen gekürzt. Maren Bock muß daher noch in diesem Jahr 40.000 Mark auftreiben, um die Arbeit von Belladonna weiterführen zu können. „Wir haben heute ein Drittel des Etats wie vor zehn Jahren zur Verfügung“, sagt Bock. Natürlich verdichte diese Krise die Prioritäten. Verzetteln können sich Bock und Brunnmüller nicht leisten, Kreativität allerdings auch nur noch selten.

Die Armut der Frauen in Bremen bemerken sie auch an anderer Stelle. Seitdem das Frauentherapiezentrum geschlossen wurde, rufen suizidgefährdete Frauen bei Belladonna an. Oder Frauen mit Suchtproblemen. Oder alleinerziehende Mütter, die mit der Sozialhilfe nicht auskommen.

Doch trotz Geldmangel und dem Back-lash im Feminismus lassen sich Bock und Brunnmüller nicht entmutigen. „Unser Enthusiasmus ist zwar nicht ungebrochen, aber er heilt im Gips wieder“, sagt Bock. Außerdem gebe es noch soviel zu tun. Viele Frauen glaubten, daß sie gleichberechtigt seien und die Ziele der Frauenbewegung erreicht hätten. „Die sind doch schon froh, wenn ihr Mann am Sonntag mal mit den Kindern spielt“, sagt Bock. Gerade in Krisenzeiten mit hoher Arbeitslosigkeit werde Frauenpolitik wieder als Nebenwiderspruch der Geschichte abgetan. Bock: „Die Machtfrage muß wieder neu gestellt werden“. ufo