Briefmarken für Künstler

In Amerika finanziert der Staat nur zehn Prozent der Kultur. Den Rest bringen private Spender auf. Wie man auch die Bürger in Deutschland zum Spenden anhalten könnte, war das Thema einer Tagung in Leipzig  ■ Von Julie Annette Schrader

„Wie bekommt der Künstler auch auch in Zeiten der staatlichen Finanznot noch seine Brötchen auf den Tisch?“ So in etwa lautete das Diskussionsthema einer Konferenz zu Fragen des Kultursponsorings, die letzte Woche in Leipzig stattfand, nur daß das Motto etwas vornehmer formuliert war. Ort der Veranstaltung war die Aula der Leipziger Nikolaischule. Hier waren Gottfried Wilhelm Leipniz und Richard Wagner zur Schule gegangen. Auch das Interieur bietet den entsprechenden Rahmen für die Veranstaltung: Die Gäste sitzen auf weißen Korbstühlen und an den Wänden hängen Gipsbüsten der griechischen Denker Sophokles und Euripides und blicken auf sie herab.

Der Kulturkreis der Deutschen Wirtschaft und die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen hatten einen kleinen, aber illustren Kreis eingeladen: Hohe Verwaltungsbeamte, Abgesandte großer Stiftungen, Vertreter von Kulturinstitutionen, Manager von Firmen wie Mercedes-Benz und Siemens. Schließlich noch einige Vertreter amerikanischer Kulturstiftungen, denn das Thema der Veranstaltung lautete: „Neue Formen des Kultursponsorings in den Vereinigten Staaten und Deutschland“.

Zuerst erhob sich Dr. Oetker, Vorsitzender des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft und Inhaber des Puddingimperiums, von seinem Platz in der ersten Reihe: Die Kultur, erklärte er, vermittle „fun, enrichment, pleasure and life!“ Deshalb verdiene sie Unterstützung, und deshalb brauche es eine bessere Kooperation zwischen öffentlichen und privaten Geldgebern.

Eine größere Freude am Spenden von Seiten der betuchten Bürger und Firmen wäre angesichts der momentanen Schließung vieler Kulturinstitutionen tatsächlich wünschenswert. „Die 13 bis 14 Milliarden Mark, mit denen der deutsche Staat bislang jährlich Kulturprojekten unter die Arme greift, sind in Zeiten der wirtschaftlichen Rezession nicht mehr aufzubringen“, erklärte Bernd Meyer, Kulturdezernent des Deutschen Städtetages.

In Amerika sieht es mit den Finanzen der kulturellen Einrichtungen zwar auch nicht propper aus, zumindest aber liegt die Verantwortung für die Finanzierung von Kultur nicht nur beim Staat, sondern auch bei wohlhabenden Bürgern, sogenannten „donors“, die Kunst genießen wollen und deshalb fördern. In Amerika bezuschußt der Staat die Kultur mit nur zehn Prozent, den Rest tragen private Investoren und Spender. „Niemand in Deutschland würde darauf kommen, den hier für die Kultursubventionierungen verantwortlichen Städten und Kommunen sein Geld zu hinterlassen, denn niemand weiß, wohin das Geld letztendlich fließt“, beklagt Graf Rupert von Strachwitz, Vorstand der Kulturstiftung Haus Europa. In Amerika ist es dagegen üblich, selbst Briefmarkensammlungen einer „community foundation“ zu hinterlassen, die unermüdlich Geld bei ihren Mitgliedern sammelt und für kulturelle Projekte verwendet.

Nur, wie schafft man es, die Bürger zum Spenden zu bewegen? Ellen McCulloch-Lovell, Direktorin des „President's Committee on the Arts and the Humanities“ aus Washington, eine zierliche Dame im Seidenkostüm und mit einer großen schwarzen Schleife im Haar, beeilt sich, diese Frage zu beantworten: „leadership!“, „teaching!“, „promotion!“ Kurz gesagt: Zuerst soll man eine bekannte Persönlichkeit suchen, die für das Projekt ihren Namen hergibt, dann muß die Wirtschaft von der Notwendigkeit des Sponsorings überzeugt werden, und schließlich müssen Werbekampagnen für das Projekt organisiert werden. Nach diesem Vortrag gab es dann erst einmal eine Mittagspause, wo bei Hähnchen oder Barsch fleißig Visitenkarten ausgetauscht wurden.

Wäre Mäzenatentum also die Erlösung von allem Übel? Nur Bernd Meyer deutet in seinem Vortrag kurz an, wie prekär das Verhältnis zwischen Kunst und Kapital sein kann: Einmischung, erklärte er, sei „historisch normal“. Künstler und Kulturinstitutionen seien in hohem Maße selbst schuld an ihrer finanziellen Misere, da sie nicht bereit seien, mit den Firmen zu kooperieren. So könnten doch Kulturinstitutionen ihre Ausstellungsräume für Konferenzen zur Verfügung stellen.

Das war allerdings kein sehr glückliches Beispiel – offenbar hatte Herr Meyer nichts von dem vorzeitigen Ende der Gerhard- Richter-Ausstellung in der „Kunsthalle“ des Art-Hotels in Dresden gehört. Zum Eklat kam es, als das Buffet neben empfindlichen Papiergraphiken aufgebaut und sogar eine Skulptur beschädigt wurde. Richter, der seine Kunst zur Partydekoration degradiert sah, hängte seine Bilder auf der Stelle wieder ab. Wie undankbar.