Springende Gene gegen Malaria

Mit Gentech-Mücken wollen Wissenschaftler die Infektionskrankheit bekämpfen  ■ Von Uwe Kerkow

Auf 300 bis 500 Millionen wird die Zahl der Menschen geschätzt, die jedes Jahr an der Malaria erkranken, ein bis zwei Millionen davon sterben an der Infektionskrankheit. Doch trotz jahrelanger Suche konnte bisher noch kein wirksamer Impfschutz in den Forschungslaboratorien entwickelt werden. Hervorgerufen wird die Malaria durch verschiedene Arten eines einzelligen Parasiten, den Plasmodien, die bei einem Stich von einer infizierten weiblichen Mücke in die menschliche Blutbahn gelangen. Nun verfolgen Wissenschaftler in aller Welt ein Konzept, um genmanipulierte Anopheles-Mücken im Kampf gegen die Krankheit einzusetzen.

Dafür müssen erst einmal Anopheles-Stämme gefunden oder konstruiert werden, die die Krankheit nicht übertragen. Das spätere Ziel ist, daß spezielle Anti-Malaria-Gene sich nach der Freisetzung der genmanipulierten Blutsauger im gesamten Mückenbestand ausbreiten und nicht im Laufe der Generationen wieder verschwinden. Am schwierigsten wird es jedoch sein, sicherzustellen, daß die an den Mücken vorgenommenen genetischen Veränderungen keine unerwünschten Folgen für Mensch und Umwelt haben, denn stechen werden die Tiere auch weiterhin.

Bereits vor zehn Jahren entdeckten Wissenschaftler Stämme von Anopheles gambiae, die nicht in der Lage waren, bestimmte Arten der Malaria zu übertragen. Diese Stämme habe die Eigenschaft, die Plasmodien in einem bestimmten Stadium nach ihrer Fortpflanzung einzukapseln und sie so unschädlich zu machen. Nach dem für die Einkapselung verantwortlichen Gen wird zur Zeit im Zentrum für Seuchenkontrolle und -vorbeugung in Atlanta, USA, sowie im Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL) in Heidelberg gefahndet.

„Insekten haben ein anderes Immunsystem als die höheren Tiere“, erläutert Adam Richmann vom EMBL. „Sie zeigen immer die gleiche Einkapselreaktion, die bei allen Insekten sehr ähnlich verläuft.“ Mit Hilfe der „Mikrosatelliten-Kartierung“ sei es, so Richmann, „nur eine Frage der Zeit, bis wir die Immunitätsgene der Mücke identifiziert haben“.

Neben der Suche nach natürlichen Abwehrreaktionen wird auch die Möglichkeit untersucht, geeignete Fremdgene auf künstlichem Wege in Moskito-Embryonen einzupflanzen. Das könnten zum Beispiel Gene von Menschen oder anderen Säugetieren sein, die für die Bildung von Plasmodium-Antikörpern verantwortlich sind. Das hochgesteckte Ziel ist, den Mücken somit einen Teil des Immunsystems von Säugern zu übertragen. Allerdings fehlt noch ein passendes Transfersystem, um das gewünschte Gen im Genom des Mücken-Embryos zu plazieren. Bei der Fruchtfliege, Drosophila melanogaster, hoffen die Wissenschaftler jetzt fündig geworden zu sein. Die Fliegen verfügen über ein springendes Gen, Maritimer genannt, mit dessen Hilfe es möglich ist, fremde Sequenzen in das Erbgut der Fliegen einzuschleusen.

Um die Ausbreitung der Gene zu fördern, denken die Wissenschaftler daran, die besonderen Eigenschaften von Wolbachia-Bakterien zu nutzen. Diese Mikroorganismen leben in einer Symbiose mit einigen Insektenarten. Bei Drosophila werden sie mit den Eiern an die nächste Generation weitergegeben. Auf diese Weise können sie einen ganzen Bestand infizieren. Es wurde schon beobachtet, wie sich eine Wolbachia-Infektion mit über 100 Kilometern pro Jahr in einer kalifornischen Fliegen-Population ausgebreitet hat.

Um eine möglichst effektive Verbreitung zu gewährleisten, hat sich bei Wolbachia im Laufe der Evolution ein Mechanismus entwickelt, mit dem sichergestellt ist, daß die Bakterien auch tatsächlich an die nächste Generation weitergegeben werden. Die Bakterien besitzen ein Gen, das eine zelluläre Inkompatibilität verursacht. Sie sorgt dafür, daß Paarungen von Insekten nur dann erfolgreich sind, wenn die Nachfolgegeneration mit den Bakterien infiziert ist. Die Wolbachia-Bakterien sollen, so die Forscher, als „Transporter“ für das Einschleusen einzelner Gene in größere Insektenpopulationen genutzt werden. Ein erster Versuch, eine Moskitoart (Aenes) mit den Bakterien zu infizieren, ist bereits gelungen – jetzt arbeiten die Forscher daran, auch den Überträger der Malaria, die Anopheles- Mücken, mit den Mikroorganismen zu infizieren.

Völlig ungeklärt ist auch noch die Frage nach den möglichen gesundheits- oder umweltschädlichen Folgen derartiger Freisetzungen. Im Gegensatz zu der bisherigen Sicherheitsphilosophie bei Freisetzungen, nach der eine Ausbreitung transgener Organismen oder neu eingefügter Gene möglichst verhindert werden soll, ist bei diesen Versuchen eine ungehinderte und weite Verbreitung das erklärte Ziel. Gene haben die Eigenschaften, sich im Laufe der Zeit zu verändern. Schleust man einen so mächtigen Überträger von Erbanlagen in die freie Wildbahn ein, so muß sichergestellt werden, daß er dauerhaft keine unerwünschten Eigenschaften in den Mückenbeständen verbreitet. Nach Meinung vieler kritischer Wissenschaftler ist eine derartige Vorhersage jedoch nicht möglich, da die freigesetzten Gensequenzen im Laufe der zukünftigen Evolution verändert werden können. Negative Folgen können so erst nach Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten zum Tragen kommen.

Wie schwierig die Beurteilung der Sicherheit derartiger gentechnischer Verfahren ist, zeigt eine Untersuchung aus den USA. Durch Zufall haben Wissenschaftler am Baylor College of Medicine in Houston festgestellt, daß eine verstümmelte Form des Mariner- Transposons auch im menschlichen Erbgut vorhanden ist. Zwar können die ehemaligen Fliegengene im menschlichen Erbgut nicht mehr von einer Stelle zur anderen springen, aber allein ihre Anwesenheit kann eine vererbbare Nervenkrankheit auslösen. Noch ist nicht geklärt, wie das springende Gen der Drosophila- Fliege in das menschliche Genom gelangt ist. Von anderen Drosophila-Transposonen ist schon seit längerem bekannt, daß sie nicht nur an die nächste Fliegengeneration weitergegeben werden, sondern daß es auch zu einer Übertragung von Insekt zu Insekt kommen kann. Dieser horizontale Gentransfer führte dazu, daß sich einzelne Transposone innerhalb weniger Jahrzehnte über den ganzen Erdball ausbreiten konnten.