■ Nebensachen aus Kairo
: Mit dem Skalpell an Allahs Werk herumschnitzen

Madame Fifi nimmt sich des abgesplitterten Lackes, des Fingernagelbettes und der Schwielen an den Zehen an. Madame Sisi reißt mit einer klebrigen Mischung aus Zucker und Zitronensaft den Haaransatz an Armen, Beinen und der Scham ab. Nach dreistündiger Behandlung kassiert Madame Lucy schließlich gnädig ab. Lucys Schönheitssalon ist einer von Hunderten, in dem die gelangweilte weibliche und männliche Oberschicht Kairos nach Schönheit sucht.

Schon die Pharaonen wußten von den Möglichkeiten, durch einige gekonnte Handgriffe ihr herrschaftliches Antlitz aufzubessern. Heute frönt durchaus nicht nur die verwestlichte ägyptische Elite den Möglichkeiten liebreizender Wohlgestaltung. So manche der Kundinnen im Schönheitssaloon werfen sich anschließend den Schleier über, um sich den lüsternen Blicken der Öffentlichkeit zu entziehen.

Doch seit einigen Jahren machen die ägyptischen AnhängerInnen von Anmut, Reiz und Herrlichkeit nicht bei den Methoden Madame Lucys halt. „Plastische Chirurgie“ lautet das neue Zauberwort. Als Dr. Ala Gheita als erster Schönheitschirurg Ägyptens vor 15 Jahren seine Praxis aufmachte, beschäftigte er sich zunächst zu 80 Prozent damit, die Gesichter von Unfallopfern wieder ansehbar zu machen. Heute wollen 80 Prozent seiner KundInnen schöner werden.

Die Methoden reichen vom Facelifting über Fett absaugen bis zum Laserstrahl, der angeblich präzise die oberste Schicht der pickelgegerbten Gesichtshaut abzieht. (Wer diese Methode über sich ergehen läßt, ist leicht an der zeitweise schweinchenrosa schimmernden Haut zu erkennen). Nichts scheint für die 120 praktizierenden Schönheitschirurgen im Land am Nil mehr ausgeschlossen. „Ein gut aufgetragenes Make-up kann eine Frau bis zu fünf Jahre jünger erscheinen lassen, bei einer Schönheitsoperation kann sie auch schon einmal zwanzig Jahre jünger erscheinen“, propagiert Dr. Rushdy.

Nicht alle stimmen da zu. Vor allem im religiösen Establishment macht sich ein Murren breit. Vor wenigen Monaten ging der damalige Mufti und heutige Großscheich der islamischen Ashar Universität, Muhammad Sayyid Tantawi, warnend an die Öffentlichkeit. Schönheitsoperationen widersprächen den religiösen Prinzipien. Derartiges verändere das Bild Gottes. „Soll ich vor jeder Operation den Rat der religiösen Rechtsgelehrten konsultieren“, fragte Dr. Gheita anschließend in der Presse den Mufti. Schließlich finde sich im Koran kein Hinweis auf die Schönheitschirurgie.

Den potentiellen KundInnen bleibt die Qual der Wahl zwischen dem allzu menschlichen Wunsch, verführerisch zu wirken und dem unermüdlichem Streben, sich nicht die Gnade Gottes zu verwirken.

Das lukrativ boomende Geschäft mit der Schönheit zeigt, daß so manche/r schließlich der Verlockung des ersteren nicht widerstehen kann. Am Ende erscheint der Drang nach Grazie und Ebenmaß dann aber doch als Trug. „Was von Außen oh, lá lá! – kennt von Innen nur Allah“, hat die ägyptische Volkszunge gedichtet. Karim El-Gawhary