„Unreif“ und unfrei

■ Totalverweigerer muß wegen Fahnenflucht zehn Monate in den Knast

„Wie gehabt“, kommentierte Rechtsanwältin Gabriele Heinecke das soeben verhängte Urteil: Der Totalverweigerer Niels Pomplun (22) wurde gestern vom Hamburger Landgericht wegen Fahnenflucht zu zehn Monaten Gefängnis verdonnert. Richterin Hannelies Kögel, die Kriegsdienstverweigerer schon reihenweise hinter Gitter gebracht hat, war exakt dem Begehren der Staatsanwaltschaft gefolgt. Die Vorgabe des erstinstanzlichen Amtsgerichts-Urteils lautete sechs Monate auf Bewährung.

Im April vorigen Jahres war Pomplun der Einberufung zum Grundwehrdienst in der Harburger Röttiger-Kaserne nicht gefolgt. Einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung hatte er erst gar nicht gestellt; denn auch der Zivildienst sei, so Pomplun gestern vor Gericht, in das Prinzip der Gesamtverteidigung eingebunden. Die Folge seines Pazifismus: Er war von Feldjägern verhaftet worden, Truppengerichte hatten fünfmal Disziplinararrest gegen ihn verhängt. Insgesamt verbrachte der Wehrunwillige 91 Tage in der Zelle. Auch der als Zeuge geladene Zeitsoldat Ruben Wojtzyk (28) zollte dem Angeklagten vor Gericht Respekt: „Er machte immer den Eindruck, zu seiner Überzeugung zu stehen.“

Auf diese Grundhaltung bezog sich auch Verteidigerin Heinecke in ihrem Plädoyer: „Mein Mandant hat eine Gewissensentscheidung getroffen. Ihm ist der Schutz durch Artikel 4 des Grundgesetzes zuzubilligen. Das Gewissen steht über der Norm des Wehrstrafgesetzes.“ Richterin Kögel sah das anders: „Hier liegt die Dauerstraftat Fahnenflucht vor. Das Gericht hätte das Strafmaß von fünf Jahren auch voll ausschöpfen können.“

Strafmildernd wirke sich lediglich aus, daß der Verurteilte „jung und unreif“ sei. Volker Stahl