: Vom Ausstieg zur Billigentsorgung
Schon im Dezember 1995 waren Schröder und Merkel einem Entsorungskonsens recht nahe: Drei Zwischenlager in Gorleben, Ahaus und Süddeutschland. Endlagerung erst ab 2030 ■ Von Jürgen Voges
Hannover (taz) – Nicht mehr Energie, sondern nur noch Atom- oder Entsorgungskonsens heißt die Veranstaltung, zu der Gerhard Schröder Bundesumweltministerin Angela Merkel dieser Tage noch einmal schriftlich einladen will. Beim Wort will der niedersächsische Ministerpräsident die CDU-Politikerin damit nehmen. Merkel hat schließlich selbst nach dem zweiten Castor-Transport einen Konsens über die Atommüllentsorgung öffentlich angemahnt.
Mit der Offerte begibt sich Schröder zum vierten Mal auf Konsenssuche: Schon zweimal hatte er im Auftrag seiner Partei über einen Energiekonsens verhandelt und war am Ende von der SPD zurückgepfiffen worden. Der dritte Anlauf war in aller Stille auf Beamtenebene zwischen dem Bonner Umweltministerium und der Staatskanzlei in Hannover vorbereitet worden und gipfelte am 14. Dezember vergangenen Jahres in einem persönlichen Gespräch zwischen Schröder und Merkel, bei dem sich beide Seiten über einen Entsorgungskonsens schon einig schienen. Doch dem Ganzen folgte nur noch ein Briefwechsel, den Merkel am 29. Februar mit freundlichem Dankesschreiben beendete. Um den Ausstieg aus der Atomkraft, oder auch nur um Restlaufzeiten für die AKWs, geht es beim Entsorgungskonsens, den Schröder jetzt wiederaufleben lassen möchte, nicht mehr. Auch verhandelte der Niedersachse schon im Dezember nicht mehr für seine Partei, sondern nur noch als Ministerpräsident des Landes mit den meisten Entsorgungsanlagen.
Schröder geht es vor allem darum, die Kassen der Energieversorger zu entlasten, die Kosten für die Atommüllentsorgung zu senken. „Der wirtschaftliche Vorteil der Kernenergie wird geringer“, heißt es in Schröders Konsenspapier vom Dezember.
Schröders Vorschlag für eine Billigentsorgung sieht nur noch eine einziges „Endlager für schwach-, mittel- und hochradioaktive Abfälle vor“, und auch dieses soll erst 2030 in Betrieb gehen. Über den Standort dieses Endlager soll definitiv erst 2025 entschieden werden. Der Entsorgungsnachweis als Voraussetzung für den Betrieb von Atomkraftwerken soll denn auch endgültig fallen.
Den Standort des Endlagers, das da irgendwann im nächsten Jahrtausend der Dauerzwischenlagerung ein Ende bereiten soll, hält das Schröder-Papier völlig offen. Da soll zwar der Salzstock Gorleben zügig zu Ende erkundet werden, aber nebenbei will Schröder auch andere neue Endlagerstandorte geprüft sehen. Selbst der Schacht Konrad soll daraufhin untersucht werden, ob er als Endlager für hochradioaktive Abfälle geeignet ist. Und das Endlager Morsleben soll über das Jahr 2000 hinaus Atommüll aufnehmen.
Für die Zwischenlagerung mahnt Schröder eine gerechtere Lastenverteilung an. Das Gorlebener Zwischenlager soll nur für Glaskokillen mit WAA-Abfällen dienen. Angebrannte Brennelemente sollen in Ahaus und in Süddeutschland gelagert werden.
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