Dialog am Rande von Spaniens Haushaltsabgrund

■ Regierungschef Aznar steht zwischen Fronten von Arbeitgebern und -nehmern

Madrid (taz) – Vom „neuen Stil beim Regieren“ und „vom Dialog“ ist immer wieder die Rede, wenn Spaniens neuer Regierungspräsident José Maria Aznar von der Partido Popular (PP) auf seine Pläne angesprochen wird. Seit gestern versucht sich der Konservative in der Praxis. Einen Sozialpakt zur Schaffung von Arbeitsplätzen will Aznar mit Arbeitgebern und Gewerkschaften aushandeln. Mit einer Arbeitslosigkeit von 23 Prozent insgesamt und 40 Prozent bei den Jugendlichen ist das eine vordringliche Aufgabe.

Den Auftakt bildete ein Gespräch mit José Maria Cuevas, dem Präsident des spanischen Unternehmerverbandes CEOE. Für Cuevas ist die Problemlösung einfach. Mehr unternehmerische Initiative und weniger staatliche Eingriffe würden automatisch zur Schaffung neuer Arbeitsplätze führen. Der Regierung fällt in den Vorstellungen des CEOE-Chefs nur eine Aufgabe zu: den Einzug Spaniens in die Europäische Währungsunion sicherzustellen.

Die beiden großen Gewerkschaftszentralen, die kommunistische CCOO und die sozialistische UGT beobachten Aznars erste wirtschaftspolitische Schritte argwöhnisch. Als im Winter IWF und OECD Spaniens Wirtschaft „die vollständige Freigabe bei Entlassungen“ und „eine Zusatzsteuer für die Sozialversicherung“ empfahlen, stimmte Cuevas begeistert zu und rief zur Wahl Aznars auf.

UGT-Generalsekretär Cándido Méndez steckt deshalb bereits im Vorfeld ganz klar seine Bedingungen für einen Pakt ab: „Keine weitere Liberalisierung des Arbeitsmarktes.“ In Sachen Sozialversicherungen ist er zwar durchaus bereit, über den Gesamtkomplex zu reden, um etwaige Modernisierungen vorzunehmen. Aber Kürzungen beim Arbeitslosengeld, den Renten oder im Gesundheits- und Erziehungswesen wollen die Gewerkschaften auf keinen Fall hinnehmen. Die ersten Amtshandlungen Aznars verstärkten die Bedenken der Gewerkschaften noch. Um bei Maastricht dabei zu sein, soll das Haushaltsdefizit innerhalb der nächsten 18 Monate von derzeit 5,9 Prozent auf 3 Prozent gedrückt werden. Das Loch in der Haushaltskasse soll mit Hilfe von weiteren Privatisierungen von Staatsbetrieben gestopft werden. Aktienverkäufe von bis zu fünf Milliarden Mark sind im Gespräch. Die Gewerkschaften aber wissen, daß der Verkauf von Staatsbetrieben meist mit Stellenabbau verbunden ist. Außerdem hat die Regierung bereits jetzt für dieses Jahr Einsparungen von 2,5 Milliarden Mark beschlossen. Alle Ministerien sollen davon betroffen werden. Der von Aznar eingerichteten Stelle zur Ausgabenüberwachung reicht das nicht. Deren Vorsitzender, der 73jährige Wirtschaftsprofessor der Universidad Autonoma in Madrid, José Barea, fordert Einsparungen von 7,5 Milliarden Mark. Unterdessen warnt CCOO-Generalsekretär Antonio Gutierrez: „Die Regierung sollte mal bei Berlusconi nachfragen, wie die italienischen Gewerkschaften seine Niederlage einleiteten, oder vielleicht auch bei Helmut Kohl, was dessen ,Horrorkatalog‘ ausgelöst hat.“ Reiner Wandler