: Jenninger bestätigt Wienand
■ CDU-Politiker kannte Details über Wienands DDR-Kontakte. Verteidiger sprechen von „Wende“
Düsseldorf (taz) – Der von der Bundesanwaltschaft wegen Spionage für die frühere DDR angeklagte frühere SPD-Spitzenpolitiker Karl Wienand hat gestern in seinem Düsseldorfer Verfahren erheblich an Boden gut gemacht. Nach der Aussage des ehemaligen Bundestagspräsidenten Philipp Jenninger (CDU) sprachen Wienands Verteidiger sogar von einer „Wende im Prozeß“.
Jenninger bestätigte im Zeugenstand, daß er von den Kontakten Wienands in die DDR wußte und auch den Namen von dessen DDR-Gesprächspartners, Alfred Völkel, kannte. SPD-Fraktionschef Herbert Wehner habe ihm schon 1973 erklärt, so Jenninger, daß Wienand einen hochrangigen Kontakt zur DDR-Regierung pflege. Wienand selbst habe ihm später den Namen Völkel genannt. Völkel war Offizier der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) im ostdeutschen Ministerium für Staatssicherheit. Die Bundesanwaltschaft wirft Karl Wienand vor, jahrzehntelang über Völkel für den ostdeutschen Geheimdienst gearbeitet und dafür pro Monat 10.000 Mark kassiert zu haben. Völkel sei sein „Instrukteur“ gewesen und habe sich über hundertmal mit Wienand „konspirativ“ getroffen. Zwei ehemalige Offiziere der HVA haben im Prozeß von den Zahlungen an Wienand berichtet. Belege, die den Geldfluß beweisen könnten, gibt es indes nicht.
Wienand bestreitet jegliche Spionagetätigkeit. Er sei von dem ebenfalls in Düsseldorf Angeklagten Völkel ohne sein Wissen „lediglich abgeschöpft“ worden. Seine Kontaktpflege im Auftrag von Wehner sei zwar „geheim und vertraulich“, aber „niemals konspirativ“ erfolgt. Daß der Auftrag zum Gespräch mit Völkel von Wehner kam, bestätigte Jenninger. Während die im Prozeß gehörten ehemaligen SPD-Spitzenpolitiker von Helmut Schmidt bis Egon Bahr davon nichts wußten, erinnerte sich Jenninger zur Freude Wienands sogar an den Namen Völkel. So „konspirativ“ lief der Gesprächskontakt offenbar nicht. Im Wissen um diesen „hochrangigen“ Kontakt habe er Wienand nach dessen Ausscheiden aus dem Bundestag bis weit in die 80er Jahre hinein immer wieder zum Gespräch gebeten, „um mir im Vorfeld von Verhandlungen ein umfassenden Bild zu machen“, meinte Jenninger.
Völlig unbeeindruckt zeigte sich gestern Bundesanwalt Joachim Lampe von dieser Aussage. Sie könne Wienand „nicht entlasten“. Jenninger habe zwar den Namen Völkels, nicht jedoch dessen „konkrete Verbindung“ zu Wienand gekannt. Lampe sah deshalb „keinen Anlaß“ von der beantragten dreijährigen Haftstrafe abzurücken. Walter Jakobs
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