Kulturende als Alpdruck

■ Premiere von Wallace Shawns Stück Zum Trauern bestellt im Thalia

„Nehmt euch in acht, Bösewichter, wo immer ihr auch seid!“ rief er in Woody Allens Radio Days (1987) als Rächer der Besseren: Wallace Shawn, seit Louis Malles Essen mit André als Meister der Finesse und des Dialogs bekannt.

Nun beschwört Shawn in seinem Drama Zum Trauern bestellt das Ende der Finesse und bietet eine düstere Vision im Gewand des Absurden: Ein letztes Mal stehen in Niels-Peter Rudolphs Inszenierung Jack (Christoph Bantzer), Judy (Elisabeth Schwarz) und Howard (Fritz Lichtenhahn) beieinander, um die Geschichte vom eigenen Ende und vom Ende der Kultur als Landschaft alltäglichen Empfindens und Wirkens zu erzählen. Die Zeit ist irgendeine Zukunft oder Gegenwart. Howard, der gealterte Dichter und Denker, lebte mit Tochter Judy im Vorort, umgeben von Gleichgesinnten. Da wurden noch Essen zelebriert, da wird über Hehres gesprochen. Schwiegersohn Jack ist dagegen Dissident: aus den Sphären der Hochkultur hat er sich davongemacht in die sättigenden Niederungen von Glanzheftchen mit nackten Damen und Sex-Kolumnen, und wundert sich nicht, als den Vergeistigten ein gewaltsames Ende bereitet wird.

Shawn geht schlau vor; erst allmählich wird das Stück, das wie eine Gesprächs-Komödie über Schrulligkeiten und Selbst-Probleme beginnt, zur finsteren Mär. „Man wird von ihm an die Hand genommen und an Bord gebracht – und sitzt dann mit im Boot“, sagt Dramaturgin Sonja Bachmann. Shawns Spannung zwischen Absurdität und Schrecken sorgt noch für zusätzliche Fallhöhe beim wirklichen Absturz ins Finstere.

Die kuriose Form des Textes als Monologe in Richtung des Publikums ist im angelsächsischen Raum geläufiger. „Am Theater gibt es ja zwei Möglichkeiten: Entweder man hat eine vierte Wand, oder man spielt mit dem Publikum. Dieser Text ist ja so geschrieben, daß man entertainerhaft mit dem Publikum spielt“, meint Sonja Bachmann. Nicht die direkte Aktion zwischen den Figuren macht sie lebendig, sondern ihre Hinwendung zum Publikum, das puzzleartig eingeweiht wird. „Das Stück spielt letztlich direkt vorne an der Bühnenrampe.“ Bei der Londoner Uraufführung Ende April wurde dem Abgesang ein eher mystischer, zeitloser Raum gebaut. In Hamburg baut Rolf Glittenberg das Bühnenbild. Das wird sicher schön und auch leicht mystisch.

Wallace Shawn grinst verschmitzt dazu. Raffiniert hat er in seiner Tragikomödie den Kreis geschlossen: der Dissident zum kulturellen Fast-Food wird schließlich selbst zum Geschichtenerzähler.

Thomas Plaichinger

Premiere: Sonntag, 19. Mai, 20 Uhr, Thalia Theater