Ach des Glitzerfummels

■ Letzte Stoßseufzer des Discokults – zu erleben am Beispiel „Right Said Fred“ im Bremer Aladin

Was ist eigentlich aus dem zauberhaften Phänomen namens „Disco“ geworden? Die älteren Leser erinnern sich: „Disco“ – das war die Glitzerkugel unter der Decke mit ihrem flirrenden Gelichter; das waren Plateauschuhe und Schlaghosen, knappe Westchen und mächtig ausladende Kragen; das war der Playbackgesang zu einer keß herumhopsenden Truppe namens „Boney M.“ – kurz: „Disco“, das war der Versuch, etwas vom Glamour des US-Entertainments auch auf die deutsche Tanzdiele herüberzuretten. Falsche Wimpern, falsche Turmfrisuren und natürlich Musik komplett vom Band – nur eines stimmte an diesem herrlichen Schwindel: die Show.

Nun, „Boney M.“ sind längst in die Drittklassigkeit abgestiegen und turnen auf Maifeiern und „bunten“, wahscheinlich aber eher ziemlich grauen Nachmittagen vor mürrischem Landvolk herum. „Silver Convention“, „Luv“ und Ricky Shane – wegen Berufsaufgabe geschlossen. Zu den letzten Statthaltern der alten Glamourkunst aber zählen „Right Said Fred“. Jetzt sind sie wieder auf großer Tour. In Bremen tanzten sie im Aladin an.

Diese beiden Knaben, Fred und Richard, wissen, was die Discopeople von Ibiza bis Timmendorfer Strand wollen: eine gute Show bei vollem Körpereinsatz aller Beteiligten. Luftig-elegante Kostüme, Tanzschritte von leidlicher Laszivität, Mitmach-Melodien im gemäßigten Hopsrhythmus – und Gogos, Gogos, Gogos, so weit das Auge reicht. All das versprachen die legendären Gute-Laune-Videos „Deeply Dippy“ und „I'm Too Sexy“. Kaum etwas von diesem Flair ist auf der Bühne zu erleben.

Denn auch die beiden Tanz-Fredis haben sich scheint's entschlossen, dem Discozauber den Rücken zu kehren. Im Aladin präsentierten sie sich jedenfalls als verschwitzte Rockgruppe. Eine ebenso routiniert wie uninspiriert spielende Combo sollte den Freds wohl den Rücken stärken. Aber im mächtigen Soundkrawall aus Gitarren, Schlagzeugs und Keyboards war nichts mehr wiederzuerkennen von jenen charmant wippenden Rhythmen, die Freds Nummern einst zu echten Discohits machten.

Und wo ist der ganze Glitzerkram geblieben, den wir so liebten? Richards silbrig schimmernder Anzug, billiges Schlangenleder-Imitat zumal – das war's. Fred himself gefiel sich in roter Latexhose und Batikhemdchen. Auch nicht eben originell. Schlimmer nur noch, daß der Meister seinen athletischen Luxuskörper hinter einer Gitarre verstecken mußte. Ja geht man dazu denn ins Studio? Um hinterher fruchtlos herumzuklampfen, statt stolz den Body in den entsprechenden (Balz-)Posen vorzuführen?

Nein, von einer glamourösen Show war hier nichts mehr zu spüren. Tiefpunkt der Posse: ein Elektrogitarrist, miserabel gekleidet in ein schlechtsitzendes, rotes Sakko und – trotz ebenso schlechter körperlicher Verfassung – auf offener Bühne ketterauchend. Entsprechend von der Rolle auch seine Gitarrensoli, die Ton für Ton nicht nur schiefgingen, sondern eigentlich gänzlich überflüssig waren – der krause Klampfist soll wahrscheinlich die neue (Alt-)Rockernote bei „Right Said Fred“ besorgen. Ein gütiger Gott hätte den Mann im Bühnenboden versinken und in die Elektrogitarristenhölle rauschen lassen. Und hätte stattdessen ein Vollplayback ins „Aladin“ gesandt – zu dem Fred & Richard dann eine perfekt gestylte Discoshow abgezogen hätten.

Thomas Wolff