Homos im Medaillenfieber

■ Morgen werden die Eurogames mit einer Parade der AthletInnen eröffnet. Mit über 3.000 TeilnehmerInnen verzeichnet das lesbisch-schwule Sportfest einen Rekord

Da könnte so mancher heterosexuelle Sportfunktionär vor Neid erblassen: 3.270 SportlerInnen aus 19 Ländern werden vom 16. bis 19. Mai in Berlin ihre Kräfte messen. Die Eurogames, so etwas wie die lesbisch-schwulen Europameisterschaften, verzeichnen Rekordteilnehmerzahlen. Seit den ersten Eurogames, die 1993 in Den Haag stattfanden, hat sich die Teilnehmerzahl verzehnfacht. Mit 17 Sportarten – von Badminton bis Volleyball – sind die Eurogames ein internationaler Breitensport- Wettkampf, wie es ihn in der heterosexuellen Sportwelt nicht gibt.

Volleyball ist mit 780 TeilnehmerInnen die mit Abstand am stärksten vertretene Sportart. Über hundert Teams treten gegeneinander an, die Wettkämpfe dauern zwei Tage und sind auf acht Sporthallen verteilt. „Das sprengt alle Dimensionen“, sagt eine Organisatorin. Auch bei anderen Sportarten ist der Andrang groß: Für die Teilnahme am Tennisturnier mußte eine Warteliste geführt werden. Während Fußball wie gewohnt eine Domäne der Lesben ist – sie stellen zwei Drittel der Spielerinnen, ist der Cheerleader-Wettbewerb noch Männersache (siehe Seite 27).

Den Teilnehmerrekord kommentiert Markus Caspers von der Organisationsleitung trocken: „Was wir davon zu erwarten haben, ist viel Arbeit.“ In der letzten „Prunksitzung“ vor den Eurogames, wie die Organisationstreffen in Anlehnung an Karnevalssitzungen heißen, gibt seine Mitstreiterin Dorothee Buß Durchhalteparolen aus: „Wir müssen in den nächsten Tagen zusammenhalten.“ Für das Einschweißen der Teilnehmerausweise sucht sie an diesem Abend dringend Helferinnen. „Das ist Friemelarbeit“, sagt Buß. Das Ausschneiden und Aufkleben der Fotos, das Abgleichen der Namen kostet Zeit. „Wir kommen damit nicht mehr nach.“ Sonst ist an alles gedacht: an Gebärdendolmetscher, an Cassetten mit der neuen Eurogames-Hymne, die bei den Siegerehrungen abgespielt wird, und nicht zuletzt an die Genehmigung der Flugaufsicht, bei der morgigen Sportlerparade Luftballons steigen zu lassen. Schließlich findet zeitgleich die Internationale Luftfahrtmesse statt. Außerdem können alle Wettkampfergebnisse unter http://www.dds.nl/;gay games auch im Internet abgefragt werden.

Die Eurogames werden vom größten Berliner Sportverein Vorspiel ausgerichtet, in Zusammenarbeit mit dem Schwimmverein Regenbogenforellen, dem Lesbensportverein Seitenwechsel, dem Tischtennisverein PINK PONG und dem Kampfsportverein Gaysha. Neben der achtköpfigen Organisationsleitung kümmern sich rund 80 Aktive um die Organisation der einzelnen Wettkämpfe. Dazu kommen 500 Helfer. Alle aktiven Mitglieder der Sportvereine sind eingespannt. Alle arbeiten ehrenamtlich. Es ist ein Kraftakt. Aber wenn am Donnerstag die Parade der SportlerInnen den Tauentzien hinunterzieht, eine lesbische Opernsängerin „Over the rainbow“ singt und Tausende gelber und blauer Luftballons in den Himmel steigen, „dann werden wir alle euphorisiert sein“, ist sich Markus Caspers sicher.

Bei einem Etat von 300.000 Mark ist ein solches Großereignis nur mit einem enormen ehrenamtlichen Einsatz auf die Beine zu stellen. Zu 70 Prozent finanzieren sich die Eurogames über die Startgelder der TeilnehmerInnen, der Rest muß durch Einnahmen aus den zahlreichen Parties und Kulturveranstaltungen bestritten werden. Eine Reihe von Sponsoren half vor allem mit Sachleistungen. Das Land Berlin stellte die Sportstätten kostenlos zur Verfügung, steuerte aber sonst keine müde Mark bei. Nicht einmal eine Ausfallbürgschaft übernahm die Senatsverwaltung für Sport. Immerhin ließ sich der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) als Schirmherr gewinnen – vielleicht ein Trostpflaster für die vermasselte Olympiabewerbung.

Auch wenn die Eurogames ein Breitensportereignis sind, die Athletinnen nehmen die sportliche Seite ernst, sagt Johanna Schmidt, Schwimmtrainerin bei Seitenwechsel. Seit einem halben Jahr ist das Schwimmtraining auf Leistung umgestellt. „Das Tempo hat rapide zugenommen“, bilanziert sie den Trainingserfolg. Denn einfach dabeisein, genügt vielen nicht. Für sie gilt das Motto: „Give your personal best“. Dorothee Winden

Die Parade startet um 11 Uhr an der Kreuzung Kurfürstenstraße/An der Urania. Die Eröffnung der Eurogames beginnt um 12.30 Uhr am Wittenbergplatz.