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: Die Schrecken des Gruppeninterviews

■ Die Hölle, das sind die Kollegen. Eine Begegnung mit Robert Altman, ein Film mit Gong Li

Wem der Herr einen schönen Beruf geschenkt hat, den prüft er gelegentlich mit sogenannten „Gruppeninterviews“, mit denen Agenturen Stars und Journalisten beglücken und tayloristisch zusammenfügen. Acht gegen einen. Das Problem ist, daß man, ob man will oder nicht, als Rudel auftritt und wahrgenommen wird. Bei der Redakteurin einer seriösen deutschen Tageszeitung führte das vor zwei Jahren dazu, daß sie glaubte, sich schriftlich bei dem Regisseur für den Bockmist entschuldigen zu müssen, den die anderen gefragt hatten.

So weit möchte ich nicht gehen, aber hart war es trotzdem. „Mr. Altman, die Blondie in Ihrem Film ,Kansas City‘ liebt ja eigentlich sehr absolut. Ist das noch Liebe, oder würden Sie sagen: Das grenzt schon an Sucht!?“ „Mr. Altman, würden Sie sich in gewisser Weise auch als Maler bezeichnen, ich meine jetzt filmisch gesehen?“

Als Altman etwas stottert, was man ihm nachsehen kann, hakt ein Kollege blitzschnell nach: „Nun, ist lineares Erzählen nicht auch eine Art von Korruption?“ Aaargh! Jäh stürzte ich aus dem „Saal Picasso“ (!) hinaus auf die Straße vor dem Hotel Martinez, wo hinter Spalieren Schaulustige stehen, die auf Stars warten und meist aber mit unsereinem vorlieb nehmen müssen. „Madame“, rief mir einer hinterher, als ich aufgebracht an ihm vorbeischoß, „votre colet!“ (Ihr Kragen!) Ich verstand: „Madame, votre colère!“ (Ihr Zorn) und wollte dem Burschen schon Bescheid geben, da sah ich, es war bloß Charme. Ach sooo.

Ja, das Ausland. Aus der Ferne wirkt es, als hätten chinesische und afrikanische Filme immer gewisse Elemente gemeinsam. So finden sich in chinesischen Filmen grundsätzlich Goldfische, während afrikanische Filme praktisch nie in Städten spielen, sondern immer in tribal organisierten Dörfern, in die jemand heimkehrt. Er hat es draußen in der Welt versucht, ist aber ohne den Stammesältesten, der sich zur rechten Zeit weißhäuptig aus dem Zelt zu heben pflegt, einfach nicht zurecht gekommen.

Dazu fließen oft und gern Krokodilstränen aus schwarzen Kinderaugen, welche die Produzenten, die sämtlich aus französischen Fernsehanstalten kommen, garantiert niedlich fanden. Deren wehmütigen Rousseauismus müssen diese Leute wahrscheinlich im wahrsten Sinne des Wortes ausbaden: Actionszenen sind bei den begrenzten Mitteln gern Zeltbrände oder große Regengüsse.

„Goodbye South, Goodbye“, der lang erwartete letzte Film des taiwanesischen Regisseurs Hou Hsiao-Hsien (sprich: Hau Schau Schen) bleibt einem zwar als Geschichte etwas obskur, aber es reicht, wenn man weiß, daß drei junge Menschen, zwei Spieler und ein Barmädchen, sich in einem an Miami erinnernden Inseldasein mit mehr oder weniger koscheren Geschäften durchschlagen wollen. Juke-Boxen glühen, die Mädchen tragen prächtige Plastikminis und gläsern wirkende Plateaus, verschulden sich hoch und träumen von Restaurants in Schanghai.

Weil europäische Konzepte von Subjektivität und Introspektion an diesen Leuten abgleiten wie die Gummimännchen, die man hier an Plakate wirft, versteht man nie so recht, was diese Leute eigentlich umtreibt. Aber dafür entschädigen einen französische Wettbewerbsbeiträge wie „Comme je me suis disputé – Ma vie sexuelle“ dann wieder reichlich. Wußten Sie übrigens, daß es in Cannes einen kleinen Papst- Shop gibt? Wo man allerhand vatikanische Paraphernalien erstehen kann?

In Schanghai als dem Red- Light-Babylon der 30er Jahre endet auch Zhang Yimous „Temptress Moon“, und das ist gut so, denn bis dahin hat er viel zuviel Zeit mit operettenhaft eingerahmten und gespielten Liebesverhältnissen an einem provinziellen Herrscherhof verbracht. Sogar Gong Li fängt an, einem in diesem ewig wunderschönen und belanglosen Rot unter dem ewig schönen Mond auf die Nerven zu gehen. Vor allem, als sie dann die Goldfische kaputtschmeißt! Mariam Niroumand