Das Portrait
: Die Verfolgte

■ Durdica Fajt

Gestern hätte Durdica Fajt Deutschland verlassen müssen. Ihr Asylantrag ist rechtskräftig abgelehnt. Doch die Journalistin aus Kroatien fürchtet um ihr Leben, wenn sie nach Hause zurückkehren muß. In ihrem Heimatland hat die freie Presse einen schweren Stand. Tageszeitungen werden wegen angeblicher Steuerhinterziehung mit hohen Geldstrafen belegt, mit Klagen wegen Beleidigung des Präsidenten überzogen oder geschlossen, wie die Wochenzeitung Panorama in der vergangenen Woche. Und JournalistInnen, die sich der nationalistischen Propaganda und dem Verschweigen nicht fügen wollen, werden auch schon mal mit der Pistole bedroht. Von willfährigen Polizisten, ertappten Milizionären oder entlarvten Politikern.

Durdica Fajt kennt das alles. Die 1966 in Ludbreg bei Varazdin geborene Journalistin arbeitete seit Herbst 1991 für verschiedene kroatische Blätter und Radiostationen. Aufsehen erregten ab 1993 insbesondere ihre Reportagen aus der Herzegowina während des „Krieges im Kriege“, als Muslime und Kroaten sich bekämpfen. Im herzegowinischen Prozor „wird sie Zeugin eines Überfalls zweier uniformierter Männer auf einen Bus. Ein Mann wird erschossen, andere Fahrgäste verletzt. Kroatische Polizisten kommen hinzu, lachen und verschwinden wieder. In Mostar interviewt sie einen Kollegen, der die Ustascha-Lager in Gabela, Dretelj und Heliodrom überlebt hat. In einer Redaktion wird sie wegen ihrer Berichte beschimpft „wegen Beschmutzung des kroatischen Volkes“, in einer anderen strafversetzt in die Lokalredaktion.

Unbekannte schlagen sie zusammen, nachts erhält sie Morddrohungen, wird von Gefolgsleuten lokaler Machthaber in aller Öffentlichkeit mit dem Tode bedroht. Bewaffnete Männer dringen in die Redaktion von st-exklusiv ein, auf der Suche nach ihr.

Am 12. Juni 1995 wird sie von Polizeikräften in Capljina, südlich von Mostar, festgesetzt, nach eigenen Angaben mißhandelt, „niedergespritzt“ und in die Psychiatrie nach Split gebracht. Nach zwei Tagen gelingt es ihrer Schwester, sie aus der Psychiatrie herauszuholen. Die Redaktion von Panorama will sie wieder nach Mostar schicken. Doch sie glaubt an eine Falle. Das Haus der Schwester wird von Spezialpolizei überwacht. Im Juni 1995 flieht sie nach Deutschland, in der Hoffnung dort Schutz zu finden. Wohl vergeblich. Georg Baltissen