„Den privaten Udo gibt es nicht mehr“

■ u Heute vor 50 Jahren wurde Udo Lindenberg in Westfalen geboren. In einem Gespräch des Rockmusikers mit den Kollegen Jan Müller (Tocotronic) und Funny van Dannen erklärt dieser, wie man ein Udo wird und bleibt

Gibt es in Deutschland jemanden, der so richtig Glamour hat?

Die Freude am Glamour ist doch sehr gedämpft hier. Wenn du hier mit 'ner Limo um die Ecke fährst, wird es schon problematisch. Aber ich mache das natürlich trotzdem.

Müller: Wie – mit 'ner Limo?

Jan Müller weiß nicht, daß Sie mit Limo nicht Limonade, sondern eine Limousine meinen, Herr Lindenberg. Sie leben hinter der Sonnenbrille.

Ja, ich stehe ja mehr auf Champagner. Aber mir ist es auch wichtig, im Underground rumzuschnüffeln.

Müller: Ich glaube, man kann nicht in den Underground reingucken.

Umgucken kann man sich doch. Ein Mann verleugnet seine Herkunft nicht: Ich steige auch in die Rattenlöcher hinab. Der Underground bereichert mein Leben, ich gehe überall hin.

Van Dannen: Warum stellt sich überhaupt jemand auf eine Bühne?

Eine ordentliche Ladung Narzißmus gehört dazu: Daß man sich gerne teuer beleuchten läßt und sich selbst sehr lieb hat. Das Grundgesetz ist die Unbescheidenheit. Aber charmant muß es bleiben, ansonsten möchte ich alle meine Feinde bitten, mich darauf aufmerksam zu machen. Sonst stehe ich irgendwann da als meine eigene Karikatur.

Es gibt Leute, die behaupten, daß es längst soweit ist.

Müller: Ich finde, die peinlichste Musik kommt immer gerade aus Deutschland.

Unsere Musik ist doch nicht peinlich.

Müller: Ach, „Unsere“ – Ich finde vieles peinlich,

Ich finde das nicht. Es gibt viele gute Sachen, die Toten Hosen, Herbert Grönemeyer...

Udo Lindenberg ist berühmt auch für seine Sprache. Herr Müller, finden Sie diese Sprache jugendlich und immer noch modern?

Müller: Udo Lindenberg spricht die Udo Lindenberg-Sprache. Das ist ein Slang, den ich sonst nie gehört habe.

Wenn ich mal kurz für mich selber sprechen darf: Das ist eine Sprache, die sich ständig paart mit der Erfindung, mit dem Spiel, die auch eine schnelle Korrespondenzzwischen Udo und der Straße ist. Ich bin Freund der direkten Sprache, die knallt und auch schnell ist. Ich kenne viele Jüngere, die auch so sprechen, weil es nach mir eine echte neue Sprache nicht mehr gegeben hat.

Sind Sie böse, wenn Sie jemand als Hippie bezeichnet?

Ich bin ein Lindie und ich bin auch kein Mann fürs Tagesgeschäft, ich bin eher eine Jahrhundertmaßnahme. Natürlich habe ich was vom Hippie-Schub mitgekriegt, vom 96er-Schub aber auch – ich empfinde mich als Zeitenwanderer.

Zuletzt sangen Sie vor einem Millionenpublikum bei Didi Hallervorden Funny van Dannens Lied „Nana Mouskouri“. Herr van Dannen, waren Sie da stolz?

Van Dannen: Ja, es ist doch das schönste, was einem Song passieren kann, daß er eine Selbständigkeit entwickelt, so sind die Volkslieder ja entstanden. Solange die Nationalmannschaft meine Songs nicht singt...

Gebührt denn Udo Lindenberg Respekt für seine Pionierarbeit in der deutschsprachigen Popmusik?

Van Dannen: Auf jeden Fall.

Müller: Schon, aber es gab ja zumindest gleichzeitig auch Ton Steine Scherben.

Ja, Rio Reiser & Co. werden oft vergessen, die waren sehr wichtig, sind nur nicht so bekannt geworden.

Weil sich Rio Reiser wohl auch nicht zum gesellschaftsfähigen kleinsten gemeinsamen Panik-Nenner eignete wie eben Udo Lindenberg.

Vielleicht, aber auch ich war immer eine bizarre Erscheinung, nicht immer repräsentierfähig.

Immerhin sitzen Sie zwischen all den Gottschalks bei Boxkämpfen, sind auf vielen Galas anzutreffen – im Gegensatz zu Rio Reiser. Verwässert sich da nicht der Widerstand gegen die Gesellschaft?

Ein Detektiv muß sich überall auskennen, das hat auch was journalistisches: Von den Gullis bis zur Chefetage bin ich zuhause.

Und so wollten Sie in den achtziger Jahren auch bei Honecker wohlgelittensein, indem Sie dem Mann eine Lederjacke schenkten?

Für den Weggetretenen Honecker sollte das heißen: Zieh die Straßenjacke an und geh mal nach dem Proletariat gucken.

Das klingt naiv.

Das war ein Symbolismus. Ich habe eben damals die Politik gegen den kalten Krieg gefahren, in Absprache mit anderen: Daß man mit einem Dialog weiter kommt als mit noch mehr Raketen; das war mir damals wichtig, da im Rahmen meiner Möglichkeiten mitzubasteln. Die Lächerlichmachung der SED stand bei mir ganz groß auf dem Zettel. Ich wollte da als Partisane rein, ich wollte ja auch die Tour da machen.

Müller: Ja, warum denn eigentlich?

Weil es da viele Leute gab, die uns hören wollten.

Müller: Ich will jetzt kein Klugscheißer sein, aber ich habe das damals so mitgekriegt, daß da eh nur FDJ-Leute in die Hallen durften.

Ich hatte einen Vertrag mit den Leuten damals, daß ich dann live im Fernsehen übertragen werde und alle zum Konzert kommen dürfen, die das wollen.

Und das haben Sie der DDR-Regierung dann abgenommen?

Ja, das habe ich geglaubt. Das war vielleicht zu naiv. Ich wollte für die Leute spielen und nicht für ein Schweineregime. Nur mußte ich das ja damals über die FDJ machen.

Beim Zusammenschluß deutscher Rockmusiker zur „Band für Afrika“ Mitte der 80er Jahre hätten Tocotronic nicht mitgemacht?

Müller: Ich hätte da bestimmt nicht mitgemacht. Das war doch ein gegenseitiges Auf-die-Schulter-klopfen.

Einen Versuch ist sowas wert. Natürlich in Verbindung mit Informationen, Programmen, was kann man im Bundestag machen, was kann man in Stadtteilen machen...

Pardon, machen Sie was in Stadtteilen?

Ich bin doch Geheimrat, das ist doch mein Hauptberuf, deshalb kann ich da jetzt auch nicht drüber sprechen.

Van Dannen: Würde es Dich nicht mal interessieren, Songs für Leute zu machen, die ungefähr in Deinem Alter sind?

Ich finde viele meiner Songs auch für ältere interessant.

...doch Sie gefallen sich in der Pose des Ewigjungen – war Ihre eigene Pubertät denn eine schöne Zeit?

Eine andere Rückennummer zu tragen, so nenn ich das, das ist kein Verdienst, keine Schuld – das ist reiner Zufall. Im Verhältnis zur Menschheitsgeschichte spielen die paar Jahre sowieso keine Rolle. Aber die Pubertät, die war zum Teil natürlich auch ganz schwierig.

Es wundert einen, daß Sie immer noch viele pubertäre Vokabeln verwenden – hört das nie auf?

Für mich gibt es da keine Limits: Titten, Arschgesicht, Sackgesicht... Ich stelle an mich nicht die Forderung, ab einem gewissen Alter meine Sprache zu ändern.

Sie haben sich der Kunstfigur Udo L. immer mehr angenähert.

Da ist was dran. Früher, ohne Kohle, ohne Ruhm, wollte ich Millionär werden, raus aus den beengten Verhältnissen. Und ich hatte ein Bild von dem, der ich werden wollte, und wenn man das so viele Jahre erfolgreich lebt, dann sind das so fließende Übergänge, daß ich manchmal denke: den privaten Udo, den gibt es irgendwie nicht mehr.

Fragen: Benjamin von Stuckrad-Barre

Das Interview ist ein auf Udo Lindenberg zugeschnittener Ausschnitt aus einem viel längeren Gespräch, bei dem Jan Müller und Funny van Dannen weit weniger Stichwortgeber gewesen sind, als es in dieser Version den Anschein haben muß.