Schwatzen lang und schlapp

■ Die 100. Bremer Senioren-Talkshow – einfach „nicht zu toppen“

Bitte? Für die Alten gibt es keine „Angebote“? „Und was ist mit dem Harz?“ fragt Frau Schierenbeck. Was ist denn der Schwarzwald, was sind die Kasseler Berge anderes als herrliche Ausflugsziele für alte Damen und sonstiges unternehmungslustiges Volk? Wenn aber Frau Schierenbeck mal zwischendurch zu Hause ist, in Walle – dann geht sie zur Bremer Senioren-Talkshow. Man erfährt was Neues. Und das Beste: „Man ist zum Abendbrot wieder zu Hause.“

Fast hätte es diesmal mit dem Abendbrot-Termin nicht geklappt. Die 100. Talkrunde im Flughafen-Restaurant geriet zu einer Überraschungsparty, deren Überraschungen einfach kein Ende nehmen wollten. Erkrankte Gäste, verspätete Bürgermeister, pfeifende Mikrofone, und wer bekam hier nochmal den gedeckten Apfelkuchen? Kurz: das herrlichste Durcheinander. Und genau so liebt es der Chef: Jens Schmidtmann, Initiator und Moderator der Seniorenchose.

Neben Schmidtmanns Liebe zu den Alten ist es wohl vor allem seine hohe Improvisationskunst, die das Wunder der Senioren-Talkshow ermöglicht hat. Als der NDR Schmidtmanns Talk-Idee 1988 ablehnte, nahm der „Schauspieler und Journalist“ (Schmidtmann) allein in seine Hände. Dann eben ohne Kameras. Aber mit Kaffee, Kuchen, Promis – und vielen Alten, die den Podiumsgästen tüchtig einheizen. Wenn Schmidtmann die „offene Runde“ ausruft, legen die Alten los: Herr Kienzle! Wo kann ich denn nun diesen „Bremer Container“ empfangen? Und der Rhododendron stammt wirklich von der Erika ab? Guck an. Revolutionär die Frage an die Direktorin der chinesischen Schule zu Bremen: „Mir tun die chinesischen Kinder leid, die diese schwierige Sprache lernen müssen; daß denen nicht der Kopf platzt! Können Sie nicht einfach unsere lateinische Schrift übernehmen?“

Bis der Laden derart in Schwung kam, mußte Schmidtmann schwer baggern. „Sponsoren kommen und gehen“, seufzt er. Zur Zeit unterstützen zwei Gaststätten seine gerechte Sache. Schwer war der Schlag, den ihm die Sparkasse versetzte. Nach einer legendären Talkrunde auf dem Freimarkt kündigten die Bänker kurzerhand den Sponsorenvertrag: Schmidtmann habe mehr als einen über den Durst getrunken und die Gäste blamiert. „Eine Intrige“, glaubt Schmidtmann, er könne außerdem „jederzeit“ das Gegenteil beweisen. Er und Alkohol? „Im Dienst – nie!“

Auch diverse Umzüge hat die Schmidtmann-Show überstanden, dank des Meisters Beharrungskraft. Im Haus Riensberg haben die Alten getalkt und im „Deutschen Haus“, bevor es pleite ging; Open-Air am Emmasee und Talk in der Sparkassen-Kantine am Brill – bis zum Rausschmiß. „Da stand ich mit meinen 300 Senioren auf der Straße“, faßt Schmidtmann das Drama in ein hübsches Bild. Sogar er selbst, so die Fama, sollte ersetzt werden. Zwecklos. Er nahm seine Alten mit ins Flughafen-Lokal. „Schmidtmann“, frohlockt der „Bild“-Kollege am Nebentisch, „ist nicht zu toppen“.

Und sein Publikum auch nicht. Ob die werten Gäste zum Jubiläum nicht etwas ins Sparschwein geben könnten ... „für Scherf!“ kreischt es freudig aus der 2. Reihe. Gejuchze an den Kaffeetischen. Nein, korrigiert der Talkmaster, der Bürgermeister verspäte sich übrigens sowieso um eine dreiviertel Stunde ... „da können wir auch drauf verzichten!“ schallt es zurück.

Schmidtmann selbst ist in Hochform. „Ich überziehe lang und schlapp“, läßt er die geladene ZDF-Landeschefin wissen, „das kostet einen Fernsehsender Millionen oder Hunderttausende von Marken!“ Ach, und ob sie ihm sagen könne, wie spät es eigentlich schon wieder sei?

Zu spät, finden die Kaffeedamen, als nach zwei Stunden der Bürgermeister tatsächlich noch nicht auftaucht. „Köstlich! Köstlich!“ verabschieden sie sich nach Walle. Bis nächsten Monat, dann wieder am Emmasee: Auch über Schmidtmanns neuem Domizil am Flughafen baumelt schon wieder die Abrißbirne. tw