Turnusgemäß durch die Welt

■ Volker Marwitz ist der neue Leiter des Bremer Goethe-Instituts / Aufgewachsen bei Bremerhaven, kehrt er an die Weser zurück

Fünf Jahre Mexico-Stadt, vier Jahre Helsinki. Volker Marwitz kommt herum in der Welt, turnusgemäß. Vergangene Woche übernahm er – nach zwei Aufenthalten in Goethe-Instituten im Ausland – die Leitung des Bremer Instituts. Eines von 17 Goethe-Instituten im Inland und 150 im Ausland. Der Bestand ist schwankend und abhängig von der politischen Großwetterlage. Seit der Maueröffnung sind in Zentraleuropa und den GUS-Staaten 15 Institute neu gegründet worden; andere schließen binnen kurzem, so zum Ende des Jahres die Häuser im finnischen Turku, in Bergen, in Surabaya (Indonesien) und Hyderabad (Indien).

Volker Marwitz, Flüchtlingskind mit ostpreussischen Erinnerungen, und neun Jahre Pennäler in Bremen, betritt heimatliche Gefilde. Die er bereits zum Studium verlassen hatte. Hamburg, Freiburg, Rabat (Marokko) und wieder Hamburg hießen die Stationen. An der Universität Mohamed V. in Rabat war Marwitz ein gutes Semester lang – als erster deutscher Student. Dort kam er auch in Kontakt mit dem Goethe-Institut; ein attraktiver Arbeitsplatz, fand Marwitz. Und gerät ein wenig ins Schwärmen über die „märchenhaften Einstellungsbedingungen“ damals. Mit seinem Allerwelts-Lehramtsabschluß – Romanistik, Anglistik – kam er damals gleich unter beim „Institut zur Pflege der deutschen Sprache im Ausland und zur Förderung der internationalen kulturellen Zusammenarbeit e.V.“, wie das Goethe-Institut offiziell seit den achtziger Jahren heißt.

Dem Institut ist er seit 27 Jahren treu geblieben. Von seinem ersten Dienstort Paris bis zu den Jahren in Skandinavien.

Doch auch das Goethe-Institut muß sparen und hat die Auflage, 1,5 Prozent seiner weltweit 3.600 Stellen zu streichen. Beispiel Bibliotheks-Schließung am Institut in Amsterdam. Der Rechnungshof hatte moniert, daß der Bestand – rund 20.000 Medieneinheiten – personell nicht genügend betreut wäre. Damit NutzerInnen von der Bibliothek auch profitieren können, bedarf es einer Mindestanzahl von Bibliothekaren. Die gab es nicht. Glücklicherweise fand sich ein Sponsor, der die Bibliothek am Leben erhielt. Denn mit den 300 Millionen, mit denen das Auswärtige Amt die Auslandsinstitute finanziert, kommen die nicht mehr über die Runden.

Schließung hin, Schließung her: Nicht immer findet es Volker Marwitz verwerflich, wenn Institute – „deren Standorte stammen manchmal noch aus Zeiten des Kalten Krieges“ – geschlossen werden. Das Institut in Turku (Finnland) etwa stellte kein eigenes Kulturangebot auf die Beine. Da half Volker Marwitz aus Helsinki aus.

Im Inland kommt man dem Sparzwang durch „Verschiebung von Lehrern“ entgegen, sozialverträglich abgefedert, versteht sich. Wenn etwa in den Wintermonaten niemand in Bremen Deutsch lernen will, wird eben ein angestellter Lehrer, der sonst Däumchen dreht, nach Göttingen oder Murnau versetzt.

Allen Sparquoten zum Trotz brauchen die Angestellten des Instituts, dem öffentlichen Dienst gleichgestellt, um ihre Jobs bzw. um Pensionsansprüche aber keine Bange haben. Die Existenzen sind gesichert, so Marwitz schon fast beschämt: „Man traut sich in diesen Zeiten ja kaum mehr, das zu sagen.“ Dafür mit Nachdruck: „Kein anderes Land hat wohl Kulturinstitute, die so autonom agieren können.“

Doch während Marwitz in Helsinki auch ein Programm-Etat zur Verfügung stand, mit dem Ausstellungen und Lesungen organisiert wurden, ist fürs Kulturprogramm in Bremen kein Geld da. Was im Inland zählt, ist die Sprachvermittlung. Ein Drittel der KursteilnehmerInnen sind DAAD-Stipendiaten aus aller Herren Länder, die im Anschluß an den Kurs die Universität besuchen. Der akademische Austauschdienst übernimmt die Kursgebühren und zahlt darüber hinaus ein Taschengeld. Weil man gute Kontakte zu hiesigen Theatern unterhält, kann das Institut verbilligte Karten für die finanziell klammen Stipendiaten anbieten: Den „Sommernachtstraum“ gibt's dann auch schon für zehn Mark.

„Wir sind teurer als die anderen“, sagt Marwitz über die Konkurrenz der Sprachvermittler. „Aber wir müssen auch teurer sein. Kontinuität kostet.“ Zumal wenn die Goethe-Institute zu spüren bekommen, daß immer weniger sich für Deutsch-Kurse einschreiben. Schuld, sagt Marwitz, seien „Rezession und ausländerfeindliche Aktivitäten“ in den 90er Jahren. Die Rezession sorgte dafür, daß viele Deutsch-Interessierte sich keinen Kurs mehr leisten konnten. Und die Vielzahl der ausländerfeindlichen Anschläge dafür, daß sich viele keinen mehr leisten wollten. Gleichzeitig gibt es einen enormen Zuwachs an Deutsch-Lernwilligen – besonders in den ehemaligen Ostblock-Ländern. Die Krise begann '92 und ist immer noch nicht ganz ausgestanden. Immerhin, sagt Marwitz, ist die Talsohle erreicht und eine leichte Aufwärtstendenz in den Anmeldungen spürbar.

Wird sein Blick verklärt beim Blick zurück aus dem nüchternen Bremen? „Von den Schattenseiten Mexicos wird immer geredet“, sagt Marwitz, „daß die Stadt auch erholsame Seiten hat, ist nicht so bekannt.“ Doch der Alltag in Helsinki sei – „man wird ja nicht jünger“ – angenehmer als der in Lateinamerika. Die Menschen geduldig, das kulturelle Angebot enorm, die Stadt intakt. Was man von Bremen angesichts der Nachkriegs-Bausünden nicht sagen könne. Wer weiß, wohin Volker Marwitz der turnusgemäße Ortswechsel noch verschlägt ...

Alexander Musik