Aus dem Beirat Östliche Vorstadt
: „Eine Provokation“

■ Mehrheit im Viertel-Beirat für die Zerschlagung des Drogenstrichs

gegen Strich im Viertel

Langjährige AnwohnerInnen der Humboldtstraße hatten am Dienstag abend ein Déjà-vu-Erlebnis: Wieder stritten sie mit Mitgliedern des Beirats Östliche Vorstadt und SozialarbeiterInnen über den Drogenstrich in ihrer Straße. Niemand wollte leugnen, daß sich dort immer noch Drogenabhängige prostituieren. Doch was sollten sie beschließen gegen die „widerlichen Freier“ (eine Anwohnerin)?

Den neuen Streit ausgelöst hatte „akzept“. MitarbeiterInnen des „Vereins für akzeptierende Drogenarbeit“ waren an zehn Abenden mit einen Bus in die Humboldtstraße gefahren. Sie wollten die dort arbeitenden Frauen mit Kaffee und Kondomen versorgen. Nebenbei sollten die Frauen über Methadonprogramme oder Gesundheitsvorsorge beraten werden. Mit rund 15 Frauen hätten sie gesprochen, sagt Rikus Winsenborg, Vorstand von „akzept“.

„Das sind doch Frauen von außerhalb“, empört sich eine Nachbarin der Humboldtstraße. Sie und andere wollen beobachtet haben, daß Kleinbusse aus dem Umland Prostituierte dort abladen. „Das habe ich noch nicht erlebt“, versucht Manfred Schurwanz, Revierleiter der Polizeiwache Steintor, die rund 100 BesucherInnen der Beiratssitzung zu beschwichtigen. Zwischen 25 und 30 Frauen würden zur Zeit in der Humboldtstraße anschaffen. Alle seien drogenabhängig. Vor dem Drogenhilfeplan hatte Schurwanz schon bis zu 120 Drogen-Prostituierte im Viertel gezählt.

„Wir haben die Schnauze voll“, sagt eine Anwohnerin unumwunden. Nicht nur von den Prostituierten und Freiern. Auch von der erneuten Diskussion um einen Beratungsbus vor ihrer Haustür. „Dadurch werden doch noch mehr Frauen und Freier angelockt“, glaubt sie. „Natürlich war unsere Aktion ein Affront“, gibt Winsenborg zu. Aber ohne diese „bewußte Provokation“ hätten sie sich gar nicht bemerkbar machen können. „Den Frauen geht es schlechter als je zuvor“, sagt er. Längst sei eine neue Generation von drogenabhängigen Prostituierten herangewachsen, zu denen kein Sozialarbeiter Kontakt habe. Vor vier Jahren war die Zerschlagung des Drogenstrichs im Steintor beschlossen worden war. Und tatsächlich waren danach viele Frauen in betreuten Wohngemeinschaften untergekommen oder hatten sich mit Methadon substituieren lassen.

Dann drehte sich die Diskussion wieder im Kreise. Alle im Beirat vertretenen Parteien kramten ihre alten Positionen hervor. Für CDU, AfB, FDP und „Wir im Viertel“ stand fest: „Wir wollen überhaupt keine Prostituierten im Viertel“. Geschlossen lehnten sie den aufgewärmten Antrag von Bündnis 90/Die Grünen ab, doch endlich das „Utrechter Modell“ einzuführen. Es solle ein abgesteckter Platz für die Prostituierten gefunden werden. Dort könnten sie die Freier treffen und medizinisch betreut werden.

Bei den vier SPD-Beiräten schlug das soziale Gewissen durch. Die Frauen würden von ihren Freiern zu ganz ekelhaften Sachen gezwungen und erniedrigt. Dennoch hatten sie als einzige einen Antrag gegen den Strich eingebracht. Es müsse sichergestellt werden, „daß in der Östlichen Vorstadt kein Straßenstrich besteht“.

Von der CDU ließen sie sich noch den Zusatz diktieren, daß sie „die Installierung eines Buses ablehnen“. Außerdem widersprachen sie einer „Etablierung der Prostitution im Bereich der Pauliner Marsch“. Damit sägten sie das Utrechter Modell in ihrem Einzugsbereich de facto ab. So ganz uneinsichtig wollten sie dennoch nicht dastehen. Sie stimmten mit den Grünen für deren Antrag: Das „Utrechter Modell“ müsse nach dem Beiratsbeschluß von 1992 endlich umgesetzt werden. Wo die „Rammelboxen“ hin sollen, traute sich niemand zu sagen. ufo