Durchs Dröhnland
: Gnadenlos retro

■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Also wenn schon kopieren, dann dreist. So wie The Early Hours, die den weiten Weg aus dem australischen Perth gekommen sind, um die liebevolle Wiedergeburt einer Garage aus den 60ern aufzuführen, Sonnenbrillen inklusive. Das ist natürlich unzeitgemäß, aber dafür heißen Songs hier noch „Get What I Want“ oder „Baby“. Hier lassen die Kinks grüßen und auch die großen 80er Jahre Australiens. Sowohl gnadenlos retro als auch die Band, die einen vom Sommeranfang träumen läßt, denn „Sunshine Changes Everything“.

Heute, 1 Uhr, Café Swing, Nollendorfplatz, morgen, 21 Uhr, Jugendclub Linse, Alt Friedrichsfelde 6

Rammstein? Hah! Fleischmann? Kicher! Hier kommt Die Allergie, boah, böse. Aus Schwäbisch Hall und härter als ein Bausparkonto. Tödliche Gitarren, Metzgerschlagzeug und deutsches Geröchel. Ihre Platte heißt nicht umsonst „Psalm in Blei“. Ausnahmen in dem virtuosen Abgekotze sind charmant ungelenke HipHop-Versuche. Ich habe euch gewarnt.

17.5., 21 Uhr, Huxleys Junior, Hasenheide 108-114

Nach zwischenzeitlichen Ausflügen in Geschwindigkeitsbereiche, die ihnen nicht guttaten, sind die Cowboy Junkies fast wieder zum früheren absoluten Stillstand zurückgekehrt. Da funzeln ein paar Teelichter, tupfen ein paar Instrumente und schwebt Margo Timmins Stimme. Und das ist schön so.

Heute, 20 Uhr, Passionskirche, Marheinekeplatz

Deutscher Hardcore war in letzter Zeit eher langweilig: Die einen machten mit deutschen Texten den ewig alten Rumpelpunk, die anderen arbeiteten sich an ihren anglo-amerikanischen Vorbildern ab. House of Suffering aus dem Rheinischen schaffen es dagegen, einen recht zeitgemäßen HC, der mal breakverliebt hoppelt, dann wieder harmoniesüchtig daherbratzt, mit deutschen Texten zu versehen, die den haarscharfen Grat zwischen Privatheit und Politik finden. Womit auch für dieses Genre bewiesen wäre, daß Deutsch als Singsprache funktionieren kann.

Morgen, 21 Uhr, Thomas- Weißbecker-Haus, Wilhelmstraße 9

Wie fühlt es sich an, fast zwei Jahrzehnte Kultgegenstand gewesen zu sein? Den einen oder anderen Independent-Hit gehabt zu haben und immerzu in den Top 5 aufzutauchen? Den Zeitgeist prinzipiell verschlafen zu haben? Möchte man alles Daniel Treacy und seine Television Personalities fragen und ihn bitten, das lieber nicht zu ändern. Schließlich fühlt es sich doch auch als Fan am besten an, wenn man sich zu einem exklusiven Kreis gehörig fühlen kann.

Mit Bartlebess, morgen, 22 Uhr, Knaack, Greifswalder Str. 224

Jetzt, wo sie wieder da sind, ist es auch schön. Nicht, daß man sie vermißt hätte, aber irgendwie ist das Original doch noch am besten. 24-7 Spyz wußten Metal, Hardcore, Funk und HipHop schon Ende der 80er zu verknüpfen, als Crossover noch für widerliche Auswüchse des Jazz-Rock stand. Das Zeugs brodelte wie die New Yorker Lower Eastside, groovte wie Teufel und stellte ein für allemal klar, daß Rock eigentlich eine schwarze Erfindung gewesen war. Und nicht nur wegen Jimi Hendrix, den Spyz-Gitarrist Jimi Hazel ganz offensichtlich liebevoll studiert hat.

Mit Earthcake, am 19.5., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz

So nett man das Punk-Revival finden kann, aber sollte es einem nicht zu denken geben, daß es auch auf dem Titel des eher konservativen Rolling Stone stattfindet? Daß sich Rancid auf jeder verfügbaren Party zusammen mit den üblichen Berühmtheiten ablichten lassen? Daß sich von den vielen Altpunks niemand wundert, daß hier Geschäft und alte Ideale eine obskure Zweckehe eingehen? Sicherlich sind die vier aus San Francisco eine wirklich gute Punkband, sie vergessen auch nicht die klassischen Anleihen beim Ska, aber irgendwie dreht sich mir der Magen um, wenn ich sehe, daß an sich okaye Traditionalisten zu geldscheffelnden Retrorockern mutieren.

23.5., 21 Uhr, SO36, Oranienstraße 190

Estampie versuchen schon seit zehn Jahren mittelalterliche Musik mit modernen Klängen zu verbinden, nicht erst seit sich Sampler mit gregorianischen Gesängen zum nice price erwerben lassen. Dazu bediente man sich nicht nur diverser Kirchenchöre, sondern holte zwischenzeitlich auch mal Ernst Horn, den Elektronikbastler von Deine Lakeien, dazu. Mit dem nahm man auch schon zwei LPs unter dem Namen Quntal auf, die allerdings wesentlich elektronischer sind als etwa die letzte Produktion von Estampie, bei der wiederum der Lakaien-Sänger Alexander Veljanov mittut. Zwischen ihm und der Estampie-Stimme Sigrid Hausen entspinnt sich ein elegischer Dialog über Krieg und Liebe, zusammengestellt aus historischen Texten. Während die Musik eine zarte Annäherung sucht an Klangfarben, die inzwischen zwar penetrant aktuell sein mögen, aber natürlich vor allem ein paar Jahrhunderte alt sind, und das sollte man nie vergessen.

23.5., 20 Uhr, Passionskirche

Aus einer Welt, in der Gitarren noch Gitarren sein dürfen, Garagen noch nach Öl stinken und Jungs noch vom Rockmusikerdasein träumen, kommen Mondo Fumatore. Zum einen bemüht sich das Berliner Trio um große Melodien und dicken Gitarrenbratz, zum anderen wissen sie auch um die nötige Brechung eines solchen Ansatzes, vielleicht weil sie schon vor Sebadoh aufgetreten sind. Eine große Hoffnung sind sie so oder so, und weil ich einmal, nur einmal NME spielen möchte: best unsigned band in town.

23.5., 21 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176 Thomas Winkler