Pollen fliegen über das Rollfeld

Auf dem früheren Flugplatz Johannisthal entsteht ein 70 Hektar großer Aktionspark mit Biotop. Der „Volkspark“ ist Teil des „äußeren Parkrings“, der die Stadt grün einrahmen soll  ■ Von Rolf Lautenschläger

Ein städtischer Park, schrieb einmal Berlins großer Landschaftsarchitekt Peter Joseph Lenné, ist ein Garten, in dem sich Natur und Volk begegnen. Nicht mehr die barocke Anlage mit ihren arabesken Hecken sollte bestimmend für den grünen Freiraum in der Stadt sein, sondern die Möglichkeit zur naturnahnen Erholung und urbanen Nutzung. Rund 150 Jahre nach Lennés Gestaltung des Tiergartens soll in der künftigen „Wissenschaftsstadt Johannisthal/ Adlershof“ im Südosten Berlins die Idee des großen zentralen Stadtparks eine Neuauflage finden. Und mehr noch: Das 70 Hektar große Areal soll sowohl als geschütztes Biotop als auch als „Volkspark“ entwickelt werden – Stadt und Natur eine Einheit?

Nach den Plänen der Landschaftsarchitektin Gaby Kiefer (Berlin) ist vorgesehen, das einstige oktogonale Flugfeld Johannisthal als 25 Hektar großes zentrales Schutzgebiet für seltene Pflanzen- und Tierarten zu erhalten. Zugleich ist geplant, drei lange Grünschneisen mit nach Norden, Süden und Osten in die zukünftige „Wissenschaftsstadt“ und nach Johannisthal hineinlaufen zu lassen. Die Gewerbe- und Wohnquartiere für rund 30.000 Menschen und der dreieckige Naturraum werden entlang der Stadtkante durch ein umlaufendes „Aktivband“ miteinander verzahnt. Die „grünen Aktivkammern“ werden durch Bäume oder „Heckenwände“ begrenzt.

Gaby Kiefer ging mit ihrem Entwurf als Siegerin aus einem Wettbwerb hervor, zu dem die Entwicklungsgesellschaft Adlershof (BAAG) sechs internationale Planungsbüros eingeladen hatte. Die über 70 Millionen Mark teure Parkanlage ist nach dem Tiergarten sowie dem Volkspark Rehberge die größte Freiraumgestaltung in der Stadt.

Die Idee für den Aktions- und Biopark, so Kiefer bei der Vorstellung ihrer Arbeit, „entwickelte sich aus dem städtebaulichen Entwurf für Johannisthal/Adlerhof aber auch aus der Notwendigkeit Grünflächen zu schützen“. Für die Parkbesucher geht es von der Haustür in das naturnahe umlaufende „Aktivband“ mit Bolz-, Spiel- und Sportflächen, Knutsch- und Liegewiesen, Gärten und Grillplätzen. Das Großspielfeld mit Tartanbahn will Kiefer dagegen „zentral in das nördliche Baufeld“ legen.

Wer weiter in den Park vordringen will, gelangt über breite Grasrampen an die freie Naturschutzfläche, deren „grüne Mitte unbetretbar gelassen wird“. Die Naturlandschaft kann aber erschlossen werden. Ebenso wie durch die ostseeischen Dünenberge können Besucher die Magergrasfläche auf zwei langen Holzstegen überqueren. Im Schnittpunkt der Stege, in der Mitte des Biotops, befindet sich eine Aussichtsplattform: die Natur als Kunstwerk.

Das 90 Jahre alte Rollfeld, auf dem bis zum Ersten Weltkrieg die tollkühnen Männer und Frauen (Melli Beese war die erste Pilotin) in ihren fliegenden Kisten in den Himmel abhoben, war zwar in den vergangenen Jahren immer unterschiedlichen Nutzungen ausgesetzt: Flugtechniken wurden dort ausprobiert, Lagerhallen errichtet, die Nationale Volksarmee NVA verwandelte Teilflächen zum Exerzierplatz. Trotzdem konnten sich in der Kernzone des Flugfeldes wertvolle und geschützte Flora und Fauna entwickeln, „die in Berlin einmalig ist“, wie Umweltstaatssekretär Hans Stimmann (SPD) erklärte.

Wichtiger aber ist Stimmann, daß der neue Park mit seinen Nutzungen, „die Idee des Volksparks“ von Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts aufnimmt und „weiterentwickelt“. So liege zum einen seine „urbane Funktion“ in der Erholungsmöglichkeit für die „im Raum Johannisthal/Adlershof lebenden und arbeitenden Berliner“. Zum anderen bilde die Parkanlage den zweiten Baustein im ehrgeizigen Landschaftsprogramm des Senats, der mit einem „äußeren Parkring“ das innere Stadtgebiet grün einrahmen will.

Analog des Volkspark-Konzepts in den 20er Jahren, wo im Zentrum und nahe der Arbeiterquartiere ein Band von Grünflächen entstand (Lassenpark, Volkspark Schöneberg, Wilmersdorf, Engelbecken, Humboldthain etc.) ist geplant, mit den Volksparks in Staaken, Buckow und Lichterfelde, in Johannisthal, Kaulsdorf und Buch eine Grünkette um die Metropole zu legen. Sie könnte das Defizit an Erholungsflächen ausgleichen. Der Parkring soll Anfang des 21. Jahrhunderts fertiggestellt sein. Jens Krause, Geschäftsführer der BAAG, hat jedoch heute schon Schwierigkeiten, seinen Volkspark zu finanzieren. Krause: „Bis 1999 soll die Anlage stufenweise in ihren Grundzügen fertiggestellt sein – wenn das Geld reicht.“