Zahnheilkunde im Multimediazeitalter Von Klaudia Brunst

An dem Tag, an dem meine alte „AEG Lavamat SL“, die ich noch aus Studentenzeiten herübergerettet hatte, vom Waschmaschinendienst aus der Küche getragen wurde, war mir klar geworden, daß ich nicht mehr jung war.

Aus Vorsorge beschloß ich, mich mal wieder so richtig durchchecken zu lassen und buchte diverse Vorsorgetermine bei diversen Fachärzten. Am meisten freute ich mich auf den Zahnärztinnentermin, denn erstens ist meine Zahnärztin lesbisch und zweitens hatte ich, was meine Zähne betrifft, ein einigermaßen reines Herz. „Das habe ich auch gedacht!“ unkte meine Freundin, „aber die meinten, ich müsse unbedingt einen Prophylaxe-Termin machen. Das kostet zwar 75 Mark extra, soll aber total helfen.“ – „Was?“ rief ich. „Dazu haben die dich gekriegt? Das ist doch nur Geldschneiderei! Die müssen doch nur ihre teuren Geräte beschäftigen! Seit der Gesundheitsreform machen die es mit allen Tricks!“

Mit dem festen Vorsatz, mir weder Goldinlays noch Porzellankronen aufschwatzen zu lassen (immerhin mußte ich noch eine neue Waschmaschine bezahlen!), setzte ich mich am letzten Dienstag also auf den Stuhl, ließ mir das kindische Läppchen umbinden und mich in diese entwürdigende Position herunterfahren, in der einem immer die Schlüssel aus der Hosentasche fallen. „Siebenzwofehlt ...sechspunkt ...und wie geht's zu Hause?“ fragte meine Zahnärztin, und ließ sich von meinem mühsam artikulierten „hanz hut“ weiter nicht beeindrucken. „Machst du den Mund ...vierzwopunkt... noch ein bißchen weiter auf? Danke“, säuselte sie, stellte mir weiter unablässig Fragen, die ich aus verständlichen Gründen alle nicht beantworten konnte, und war mit dem Hinweis, über die Sache mit den Goldinlays müßten wir dann mal in Ruhe reden, wieder verschwunden, bevor ich auch nur irgendetwas zum Thema beitragen konnte.

Ich dachte also, ich hätte es schon geschafft, da beugte sich plötzlich die Assistentin, die sich zuvor diskret zurückgehalten hatte, über meinen immer noch sperrangelweit geöffneten Mund. „So, dann schauen wir mal“, säuselte auch sie, „das geht doch noch ein bißchen weiter auf?“ Dann rückte sie einen Vierfarbmonitor so vor mein Gesicht, daß ich ihn unmöglich übersehen konnte, steckte mir eine seltsam geformte Sonde in den Mund und fuhrwerkte in meinem Mund herum. „Ah ja“, meinte sie manchmal diskret, oder „das kann man noch retten“, oder „das wird aber höchste Zeit“. Völlig fasziniert starrte ich auf meine Zähne, die ich in meinem Leben weder so groß noch so vierfarbig, geschweige denn auf einem Fernsehbildschirm gesehen hatte. Als die Vorführung nach einer Viertelstunde vorüber war, überreichte mir die Assistentin wortlos einen Stapel Polaroidfotos meiner „Zahnproblemzonen“, die allesamt derart widerlich aussahen, daß ich – nun doch sehr erschüttert über den Zustand meiner Zähne – sofort in die mir nun großzügig angebotene Prophylaxe einwilligte. „Weißt du“, hatte die Assistentin mir erklärt, „manche Leute sagen ja, seit der Gesundheitsreform seien wir nur auf Geldschneiderei aus. Deshalb haben wir uns jetzt dieses Gerät angeschafft. Da können wir die Entscheidung unseren Kunden dann selbst überlassen.“