Zwischen den Rillen
: Spaßabteilung im Rockzirkus

■ Neues vom Post-Grunge: Stone Temple Pilots klingen nach schmuckem Pop, Rage Against The Machine bleiben kantig, und die Spin Doctors zuckeln nervös

Ruhe und Gelassenheit sind in den alternativen Monsterrockzirkus eingekehrt. Da die Briten letztes Jahr für ungewohnte Begeisterung und neue Absatzmärkte in der Abteilung Gitarrenpop sorgten, sich Punkrock plötzlich als heißer Renner erwies, hatten die nach Nirvana rockenden Amibands Zeit, sich die Wunden zu lecken, die ihnen durch Medien, Kritikerschelte und hysterische Begeisterung der Fans zugefügt wurden.

Die meisten Prügel in diesem Spielchen mußten Stone Temple Pilots einstecken: Gemeinhin galten sie als das Symbol für den Grunge-Ausverkauf, als Abziehbilder und Industrieklone, als Feinde der ehrlichen Gitarrenschaffe etc. Da konnte sich ihr Sänger Scott Weiland noch so strecken und winden, keiner mochte ihm seine Verzweiflung abnehmen, die er in seinen Songs Eddie-Vedder-like hinauskrächzte. Und da die Stone Temple Pilots unermüdlich auf Eigenständigkeit pochten, den Dreh für die gelungen lockere oder wenigstens zynisch-ironische Umgangsweise mit sich und ihrer Rezeption nicht fanden, wurden sie inzwischen zu richtig tragischen Gestalten: Nur populär zu sein reicht anscheinend nie, ist umgekehrt wohl eher gefährlich. Also landete Scott Weiland ganz authentisch in Entzugsanstalten, während die Band, wie es sich gehört, kurz vor dem Splitt stand.

Der ganz große Katzenjammer ist jedoch ausgeblieben, die steinernen Komapiloten entwickelten Nehmerqualitäten und spielten einfach ein neues Album ein. Wären ja auch schön blöd gewesen!

„Tiny Music And Songs From The Vatican Gift Shop“ heißt es bescheiden und gleichzeitig drohend und dräuend. Da spielen die Stone Temple Pilots nun die semischweren und schmucken Poprocker, die man von ihnen kennt: Nicht daß nun gerade die pure Fröhlichkeit eingekehrt ist, aber entspannter sind die Songs schon geraten. Weiland hat, was Wunder, ein bißchen an stimmlicher Kraft und vorgeblicher Verzweiflung verloren (er ist jetzt wahrscheinlich wirklich verzweifelt, doch damit geht man nicht hausieren), was der Musik insgesamt jedoch besser bekommt. Milde gestimmt hört und goutiert man sie mittlerweile, die Armen von ganz vorn im Ständer an der Supermarktkasse.

Rage Against The Machine sind da ein völlig anderer Fall. Von eingeforderter Milde oder von Weinerlichkeit keine Rede bei denen. Die sind kantig, vorsichtig im Umgang mit dem Hype und nachgerade aufklärerisch. Auch auf ihrem zweiten Album „Evil Empire“ sagen sie, was Sache ist, sagen, daß Medien Scheiße und die schlimmste Manipulation am Menschen sein können, kämpfen für „fairness and accuracy in reporting“, für Abu-Dschamal, gegen die Todesstrafe, gegen Rassismus.

Vor drei Jahren landeten sie ohne Vorwarnung oder fett laufende Promomaschinerie überraschend in den Zelten, die den alternativen Rock bedeuteten. Zum guten und politisch okayen Ton gehörte es plötzlich, ob autonom, studentisch oder HipHop- Kid, qua der bei RATM behandelten, sozialen Issues deren kraftvolle und „kompromißlose“ Kreuzung aus Hardcore, Metal und Rap zu hören. Die gab's zwar in dieser (musikalischen) Form zu der Zeit wie Sand am Meer, wurde auch später beliebig und erfolgreich reproduziert – vor allem auch hier im Land, bis zum Erbrechen, traurigerweise, insbesondere in Berlin –, aber nicht zuletzt durch manch gelungenes, einzigartiges Riff ragten Rage Against The Machine heraus aus dem übervölkerten Grenzgebiet von Hardcore und Rap. Für „Evil Empire“ ließ man sich wohl deswegen soviel Zeit, weil man die schwere Schaffe auf den Bühnen für wichtiger und für die bewußte Sendung geeigneter hielt als die einsame Feilerei im Glashaus (Studio).

Und was soll man sagen: Alles beim alten, hart und korrekt, vor und zurück, und fertig ist das Crossover-Kunststück, das zudem – auch hier sind Rage Against The Machine überaus gewissenhaft – nicht durch Computer verwässert ist: Alle Sounds made by guitar, bass, drums und vocals, wie es am Schluß der langen Credit- und Genossen(!)-Liste etxtra geschrieben steht.

Mehr zur Spaßabteilung im ganzen Lollapalooza-Zirkus gehören hingegen die Spin Doctors. Verantwortlich für den folgenlosen Rockkonsum, jeglichem Leiden, Bombast oder Aufklärungsgedanken abhold, glänzten sie mit lustigem Funkgegniedel und überlangen Gitarrenimprovisationen. Das führte bei manchen ihrer Fans zu einer erstaunlichen Rehippiesierung, hatte aber eigentlich mehr den Charakter eines kurzatmigen Novelty-Scherzes. Ihr letztes Album geriet ein wenig arg schlapp, und selbst ihre Plattenfirma, im Kopf die Verkaufszahlen, informiert anläßlich des neuen Albums „You've Got To Believe In Something“, daß „diesmal, im Unterschied zum letzten Album, sogar zwei richtige Knaller herausstechen“, daß dies „nun wirklich der reguläre Nachfolger“ für „Pocket Full of Kryptonite“ (verantwortlich für den damaligen Durchbruch der Band) sei.

Viel Vertrauen herrscht da anscheinend nicht vor. Jedenfalls zuckelt es meist wieder nervös und beherzt durch die Songs, obwohl, wie ein leicht elegischer Song wie „Dogs On A Doe“ beweist, der vielbeschworene Fun mit den Jahren vielleicht etwas verlorengegangen ist. So was heißt dann gewöhnlich „Phase der Einkehr“, und groß, fett und funky today geht halt nicht ewig. (Demnächst sind sicher alle drei Bands auch auf dem Open air ihrer Wahl, und ein bißchen Friede und Zuneigung sei ihnen gegönnt.)

Gerrit Bartels

Stone Temple Pilots: „Tiny Music“ (EastWest)

Rage Against The Machine: „Evil Empire“ (Sony)

Spin Doctors: „You've Got To Believe In Something“ (Sony)