Strahlenrisiko für Polizisten

Der Strahlenschutz bei Castor-Transporten ist mangelhaft. Einsatzleiter können nicht messen  ■ Aus Frankfurt Klaus-Peter Klingelschmitt

Jeder Mensch ist zu jeder Zeit ionisierenden Strahlen ausgesetzt. Zu diesen ionisierenden Strahlen werden bei einem Einsatz im Nahbereich des Castors zusätzliche Strahlen auftreten. Dafür treffen wir Vorsorge!“ So steht es in einem Merkblatt des Regierungspräsidiums Darmstadt, das vergangene Woche an die Einsatzleiter der Polizisten verteilt wurde, die den Castor- Transport von La Hague nach Gorleben begleiten und bewachen sollten. In dem Merkblatt, das der taz vorliegt, heißt es weiter, daß die betroffenen Beamten selbst dann „nicht gefährdet“ seien, wenn die sogenannte Einsatzdosis erreicht sei. Orientiert hat sich das Regierungspräsidium dabei an einer Empfehlung der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO): Nicht mehr als 1 Millisievert (mSv) pro Jahr) dürfe die von einem Polizeibeamten aufgenommene Gesamtdosis betragen. Dieser Dosisgrenzwert, so heißt es in dem Merkblatt weiter, sei die Empfehlung der IAEO für die sichere Beförderung radioaktiver Stoffe auch für die allgemeine Bevölkerung.

Damit hat das Regierungspräsidium in Darmstadt die bundesweit geltenden Vorgaben aus dem sogenannten ABC-Wesen der Polizei im Interesse der hessischen Polizeibeamten unterschritten und PolizistInnen den gleichen Dosisgrenzwert zugebilligt wie anderen BürgerInnen auch. Denn nach den ABC-Bestimmungen der Polizei darf die Gesamtdosis für einzelne Beamte bei „Schutzbegleitungen“ von Atomtransporten 1,5 mSv/ Jahr betragen. Weil die Strahlungsintensität des Castors in La Hague gemessen worden sei, könne davon ausgegangen werden, daß ein Polizist, der den Transport „in einem Abstand von bis zu 2 Metern“ begleite, in der Stunde etwa 0,1 mSv an Strahlung aufnehme, heißt es weiter in den Hinweisen.

Im Klartext: Wer zehn Stunden lang neben dem Castor herlief oder den Behälter beim Bahntransport in einem Waggon direkt vor oder hinter dem Castor begleitete, hat in rund zehn Stunden die zulässige Jahresdosis von 1 mSv inkorporiert. Und der Polizist, der künftig vielleicht fünfmal im Jahr den Castor-Transport bewachen muß, darf sich pro Transport maximal zwei Stunden in der Nähe des Castors aufhalten.

Um sicherstellen zu können, daß kein Beamter mehr als die festgelegte Jahresdosis an Strahlung inkorporiert, wurden die Einsatzleiter angewiesen, ihre Einsatzkräfte namentlich zu erfassen und deren Aufenthaltsdauer im Nahbereich des Castors an die zentrale Einsatzleitung zu melden. Jeder Einsatzleiter, heißt es weiter, könne die Dosis selbst berechnen: „Gemessene Höchstdosisleistung an der Fahrzeugaußenhaut mal Aufenthaltsdauer gleich aufgenommene Dosis.“ Um die Messungen durchführen zu können, wurden in Hessen Stab- und Filmdosimeter an die Einsatzkräfte verteilt und die Einsatzleiter angewiesen, die Beamten bei Erreichen der Grenzwertdosis (1 mSv) unverzüglich auszuwechseln.

Doch mit dieser Aufgabenstellung waren diverse Einsatzleiter rund um den letzten Castor-Transport offenbar überfordert. Wie ein Angestellter im Regierungspräsidium der taz berichtete, hätten einige der Einsatzleiter nicht mit den Dosimetern umgehen können. Einzelne Beamte hätten zudem darüber Klage geführt, daß verschiedene Dosimeter verschiedene Werte angezeigt hätten. Und einen „Strahlenpaß“ für Polizeibeamte, wie etwa für Mitarbeiter in Atomkraftwerken, gebe es noch immer nicht – trotz der angekündigten Vielzahl der Castor-Transporte.

Polizeibeamte seien schließlich auch in anderen Fällen, etwa bei der Bewachung von Biblis, einem erhöhten Strahlenrisiko ausgesetzt: „Das summiert sich.“ Daß gerade in Niedersachsen, wo der Transport standenlang von Polizeibeamten zu Fuß begleitet wurde, die höhere Jahresdosis nach dem ABC-Wesen der Polizei (1,5 mSv/Jahr) gegolten habe, sei gerade in diesem Zusammenhang doch „sehr bedenklich“.