Klarheit über die Seelenlage

■ Die Karten, die Symbole und das Schicksal – Eine Tarot-Sitzung beim Experten Bernd Jost – Ein Selbstversuch von Sonja Schmitt

Wer will nicht wissen, was die Zukunft bringt? Also besuche ich einen Experten in Sachen Tarot, Bernd Jost, Herausgeber der Reihe Transformation im Rowohlt-Verlag. Da sitze ich nun nervös in seinem Büro. Jost schafft Platz zwischen Büchern und Papierbergen auf seinem Schreibtisch. Mischen und zehn Karten ziehen. Er legt die Karten aus. Was, wenn mir die verdammten Dinger Unglück in der Liebe und finanziellen Ruin avisieren? „Ich bin kein Wahrsager“, beruhigt der 55jährige, „Tarot dient lediglich dazu, sich über die eigene Seelenlage und die daraus resultierenden Potentiale klar zu werden“.

Neben Esoterik-Büchern gibt der sympathische und durchaus nicht entrückt wirkende Lektor die Reihe „rororo-Thriller“ heraus. Ungewöhnlich findet Jost die Kombination nicht. „Nur weil ich mich mit übersinnlichen Dingen beschäftige, muß ich ja nicht gleich abheben“, kommentiert er trocken. Als er vor acht Jahren die Reihe „Transformation“ im Rowohlt-Verlag etablierte, stieß er bei seinen KollegInnen auf Skepsis. „Wir sind ein ernstzunehmender Verlag“, bekam er zu hören. Nun wird der mittlerweile lukrative Bereich ernst genommen. „Immer mehr Menschen wollen ihren Gefühlen näherkommen“, erklärt Jost dieses Phänomen, „nur von einer Welle kann man da nicht mehr sprechen.“

Und wie sieht's nun mit meinem Gefühlshaushalt aus? Also zur ersten Karte: „Der Gehängte“. Klingt nicht gut. Heißt aber nur, daß in meinem Leben zur Zeit alles im Umbruch ist, versichert Jost. Stimmt. Demnächst steht der Umzug an, zwei Jahre Volontariat in Bremerhaven. Das dürfte tatsächlich einiges durcheinander bringen. Vorstellungen von der Zukunft soll der „Ritter der Schwerter“ verkörpern: jung, dynamisch, erfolgreich. Tja, aber dann zieht mein Unterbewußtsein die „sieben Schwerter“: Ich würde mich am liebsten in einem Mauseloch verkriechen. Aller Skepsis zum Trotz, irgendwas ist schon dran an den Karten.

Schließlich lassen sich Tarotkarten, die Vorgänger gewöhnlicher Spielkarten, in Westeuropa bis ins 14. Jahrhundert nachweisen. Von Kirche und Staat verboten, wurde das geheime Wissen um die Kartensymbole von Alchemisten und anderen AußenseiterInnen der Gesellschaft weitergetragen, erzählt Jost. Erst in den 20er Jahren dieses Jahrhunderts tauchte das Tarot wieder in der Öffentlichkeit auf. Arthur Waite und Pamela Smith, beide Mitglieder des englischen Geheimordens „Golden Dawn“, entwickelten das erste bebilderte und noch heute oft verwendete Tarotblatt. In den 40er Jahren erschien das von Aleister Crowley entworfene und ebenfalls sehr beliebte Tarotblatt, wenngleich Crowley auch für seinen verqueren Satanismus berüchtigt ist. Als in den 80ern die Esowelle boomte, wurden auch Tarotspiele zum Verkaufsschlager.

Mit dem „Prinz der Kelche“ kommt für mich endlich die Liebe ins Spiel: Demnächst soll sich jemand in mich verlieben. Die ödere Deutungsalternative: Ich entdecke verschüttete Gefühle. Naja. Die letzte Karte birgt Ernüchterung: „Fünf Kelche“ – die Trauer. Damit die Sitzung nicht ganz so tragisch endet, darf ich noch eine Karte ziehen: „Vier Münzen“ – eine stabile materielle Situation. Also werde ich in Bremerhaven mit einer Träne im Auge in die Computertastatur hauen – immerhin aber mit etwas Geld in der Tasche.