Lieber auf Platte

■ „Die Sterne“ funkelten im „Tower“ nur matt

Der Mai scheint der Monat des Hamburger Diskurs-Pops in Bremen zu sein. Am letzten Wochenende brachten „Tocotronic“ kleine Mädchen zum Mitsingen, frönten Tilman Rossmy und Bernd Begemann der öffentlichen Männerfreundschaft, und an Himmelfahrt kamen schließlich „Die Sterne“ auf den „Tower“ nieder. Die Band nennt ihr aktuelles Album „Posen“. Damit meinen sie natürlich, daß sie eben nicht auf Posen stehen und geben sich auf Bühnen und in Interviews betont einsilbig. Selbstverständlich gerät diese Nöligkeit erst recht zur Pose, was es einem nicht leicht macht, „Die Sterne“ zu mögen. Zerknirscht muß man leider zugeben, daß trotzdem alle drei ihrer Alben zur besten Popmusik gehören, die in den letzten Jahren hierzulande fabriziert wurden.

Zur Tour haben sich die Hamburger eine Vorgruppe namens „Concord“ geladen, die am Donnerstag nicht recht auf den vertrackten Sterne-Sound einzustimmen vermochte. Sie spielten unkomplizierten Gitarrenpop mit gelegentlichen Anflügen gemäßigter Härte und weiblichem Gesang in mal englischer, bald deutscher Sprache. Sie machten ihre Sache schön, veränderten aber nicht die Welt.

Ebenso wie „Die Sterne“. Sie hatten sich noch nicht mal selbst geändert. Schon immer gab es einen tiefen qualitativen Abgrund zwischen ihren Aufnahmen und ihren Auftritten. Gefürchtet war einst ihre arrogante Art, Applaus durch Playback-Krach abzuwürgen. Davon sahen sie diesmal ab, bedankten sich gar hin und wieder „für das Vertrauen“, befremdeten aber gleich zu Anfang durch ein allzu langes technoeskes Instrumental-Intro. Danach spielten sie in alter Tradition den ersten Song der neuen Platte, der „Ich scheiß auf deutsche Texte“ heißt. Sie hätten an diesem Abend etliche Fortsetzungen schreiben können: „Ich scheiß auf korrekte Einsätze“, „Ich scheiß auf sauberen Sound“, „Ich scheiß auf was die anderen spielen“ usw.

Die neuen Songs setzten „Die Sterne“ fast vollständig in den Sand. Wo Feinheiten gefragt waren, rockten sie alles zu. Witzige Gimmicks der Studioversionen, wie der weibliche „Ja-huuu“-Chor auf „Trrrmmmer“, wurden ausgelassen und ließen eigentlich starke Stücke nackt klingen. Überzeugen konnten sie lediglich, wenn sie ganz olle Kamellen spielten. Dabei gelangen ihnen sogar Überraschungen. So wurde aus dem ursprünglich lauen „Wichtig“ ein Mörder-Funk-Hammer, und aus-ufernde Instrumentalstücke, die auf den ersten beiden Platten die einzigen Ärgernisse waren, gerieten live zu Ereignissen und bewiesen, daß die Erfindungen von Wah-Wah-Pedalen und Hall-Effekten vielleicht doch nicht ganz umsonst waren. Die Vertrautheit mit den alten Hits führte an anderen Stellen leider zu müder Routine. „Universal Tellerwäscher“, seinerzeit ein Beinahe-Hit mit Viva-Airplay, geriet an berechenbarer Stelle kurz vor der ersten Zugabe zur Pflichtübung. Ebenso ihre Debüt-Single mit dem löblichen Titel „Fickt das System“ und dem noch löblicheren Refrain (“Keine Parolen, keine blöden wie die:...“), die als allerletzte Zugabe gespielt wurde. Von Posenverzicht keine Spur.

Mag sein, daß „Die Sterne“ Deutschlands modernste Band sind. Aber sie sollten sich auch so benehmen: Mehr Platten, weniger Konzerte. Wenn sie dennoch auf letzteres nicht verzichten mögen: Üben, üben, üben.

Andreas Neuenkirchen