Nachgefragt
: Dezentrale Klinik

■ Ein Plan für die ambulante Psychiatrie

„Krankheit als Krise – Krise als Chance“ ist das Thema einer dreitägigen Fachtagung der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie, die bis heute im Zentralkrankenhaus Bremen-Ost stattfindet. Dr. Peter Kruckenberg ist ärztlicher Direktor dieses Krankenhauses.

taz: Bremen gilt bei der ambulanten Versorgung psychisch Kranker als vorbildlich in Deutschland. Was fehlt trotzdem noch?

Dr. Peter Kruckenberg: Es ist auf der Tagung auch anerkannt worden, daß wir in Bremen gute regionale Versorgungsnetze vor allem für chronisch Kranke in den Stadtteilen geschaffen haben. Wir haben eine Beratungsstelle des sozialpsychiatrischen Dienstes mit Pflichtversorgung, gleichzeitig ist sie Institutsambulanz des Krankenhauses, das Krankenhaus ist zum Teil regionalisiert, und wir haben den Krisendienst rund um die Uhr.

Dies alles ist für die Bundesrepublik weitgehend vorbildlich, im internationalen Standard aber nicht unbedingt. Das war auch mit ein Grund unserer Tagung. Kollegen aus Holland, USA, Frankreich, Schweden berichten Erfahrungen mit ambulanter und teilstationärer Krisenintervention. In Bremen haben wir es damals geschafft, die Langzeitpsychiatrie weitgehend aufzulösen. Was wir aber noch haben, ist ein Großkrankenhaus in Bremen-Ost. Und das ist sowohl für das Krankenhaus schlecht als auch für die Patienten und Angehörigen.

Warum?

Wenn man gute Akutpsychiatrie machen will, braucht man ein kleinräumig vernetztes System. Dazu sind die Grundstrukturen in Bremen angelegt, aber jetzt müssen wir aus dem Krankenhaus auswandern in die Stadtteile.

Sie würden am liebsten Ihr eigenes Haus auflösen?

Nicht ganz, die forensische und die Kinder- und Jugendpsychiatrie würden wir behalten. Und wir würden auch die Versorgung der Bezirke Ost und Mitte übernehmen. Aber die entfernten Stadtbezirke Süd, Nord und West müßten sich selber versorgen. Diese Planung machen wir seit zehn Jahren und jetzt zunehmend radikaler. Wir wollen mit unserem Personal herausgehen als Krisenhaus im Stadtteil, als Intensivambulanz und als Akut-Tagesklinik. Damit jemand, der in einer akuten Krise ist, ein paar Stunden am Tag unter voller Betreuung ist. Das reicht oft aus.

Und das würde nicht teurer als bisher?

Unser Angebot ist: Wir machen das vom Krankenhaus Ost aus und schaffen die Einrichtungen draußen mit dem gleichen Personal, das wir heute hier haben. Dann wird das sogar ein bißchen billiger, denn eine Ambulanz verursacht weniger Kosten als eine Station.

Das klingt überzeugend, warum ist es nicht längst passiert?

Die Krankenkassen haben das Konzept noch nicht verstanden. Bei unserer Tagung ist jetzt immerhin ein Krankenkassenvertreter auf dem Podium. Und es kostet natürlich ein bißchen Investitionsmittel. Aber langfristig ist es billiger.

Die Politik macht mit?

Die Senatorin prüft es im Augenblick. Aber die andere Koalitionsfraktion hat es noch nicht so richtig verstanden. Da müssen wir noch Überzeugungsarbeit leisten. Ase