Polizeipräsident verlangt Aufrüstung

■ CS-Gas, Schrotgewehre, gezielter Todesschuß / CDU-Innensenator und SPD im Streit

Die Bremer Polizei soll kräftig aufgerüstet werden. Das zumindest fordert ihr Chef, Polizeipräsident Rolf Lüken, in einem Brief an Innensenator Ralf Borttscheller, der bereits im März verfaßt, aber erst jetzt bekannt wurde. „Angesichts einer zunehmenden Brutalisierung und Bewaffnung des polizeilichen Gegenübers ist die Einführung von Defensivgeschossen mit ,Mannstopwirkung', von Spezialmunition in Verbindung mit geeigneten Waffen mit erhöhter Durchschlagskraft aus meiner Sicht längst überfällig“, schreibt Lüken. Dringenden Bedarf gebe es auch für die „Zulassung von Schrotgewehren“ und die Einführung von CS-Reizgas.

Während diese Wunschliste des Polizeipräsidenten bisher politisch nicht weiter diskutiert wird, hat eine andere Forderung inzwischen für Zündstoff in der Großen Koalition gesorgt. Ausführlich verlangt Lüken in seinem Brief nämlich die Zulassung des „finalen Rettungsschusses“ im Bremer Polizeigesetz. Polizeischützen sollen damit ermächtigt werden, einen bewaffneten Geiselnehmer gezielt zu töten. Kein SPD-regiertes Bundesland hat dies bisher zugelassen.

„Das Schreiben des Polizeipräsidenten ist von bemerkenswerter Oberflächlichkeit und Ignoranz der Fakten“, erklärte der innenpolitische Sprecher der SPD, Jens Böhrnsen, gestern. Tatsächlich habe es in Deutschland keine einzige Geiselnahme gegeben, „bei der die Frage der Rechtsgrundlage für die Anwendung von Schußwaffen eine entscheidende Rolle gespielt hat“. Besonders geärgert hat sich Böhrnsen über Lükens Verweis auf das Geiseldrama von Gladbeck und Bremen im August 1988: „Angesichts der vom Untersuchungsausschuß festgestellten zahlreichen eklatanten Fehler der Führung der bremischen Polizei erscheint es geradezu makaber, wenn heute von eben jener Führung behauptet wird, die damalige Geiselnahme hätte mit einem veränderten Polizeigesetz einen anderen Verlauf genommen.“

Für die Zulassung des gezielten Todesschusses ist auch Innensenator Ralf Borttscheller. Lükens Brief habe er trotzdem mit der Notiz „Wiedervorlage 1999“ in die Schublade gelegt, sagte er gegenüber dem Weser-Kurier. Der Grund: Die „Uniform-Allergiker, die bei den Sozialdemokraten nach wie vor in der Mehrheit sind“, hätten eine entsprechende Änderung des Polizeigesetzes in den Kolitionsverhandlungen abgelehnt. Als Gegenleistung für die Zustimmung der SPD zur Ausnahme der Polizei von Kürzungsrunden habe er das Thema „finaler Rettungsschuß“ damals auf Eis gelegt, behauptet Borttscheller.

Dem widerspricht der SPD-Innenpolitiker Böhrnsen heftig: „Offensichtlich ist es Borttscheller heute peinlich, daß er in den Koalitionsverhandlungen den Todesschuß mit keinem Wort erwähnt hat, oder er leidet unter einer bedenklichen Gedächtnisschwäche.“ Auch die SPD habe für „effektive innere Sicherheit“ die Polizei von Personal-Einsparungen ausnehmen wollen, Druck der CDU sei dafür überhaupt nicht erforderlich gewesen.

Martin Thomas, innenpolitischer Sprecher der grünen Bürgerschaftsfraktion, vermutet eine gezielte Indiskretion des Innensenators hinter der Veröffentlichung des Lüken-Briefes. „Das ist ein bewußtes politisches Manöver, um das innenpolitische Klima weiter nach rechts zu drücken“, erklärte Thomas gestern. Der „finale Rettungsschuß“ sei nichts anderes als die „Einführung der Todesstrafe durch die Hintertür“. Und erforderlich sei diese Regelung überhaupt nicht. Schließlich hätten auch Polizisten im Einsatz ein „Recht auf putative Notwehr“, das im äußersten Fall sogar die Tötung eines Angreifers einschließe. Ase