Punktsieg für Vorspiel

■ Hartnäckig hat der schwule Sportverein die Aufnahme in die offiziellen Verbände erkämpft. Im sportlichen Alltag fallen die Vorurteile schnell in sich zusammen

Fünf Jahre lang hat der schwule Sportverein Vorspiel um die Aufnahme in den Berliner Turnerverband gekämpft. Die Hartnäckigkeit hat sich gelohnt: Kurz vor Beginn der Eurogames gab der Turnverband seine Berührungsängste auf. „Die Zeit war reif“, stellt der langjährige Vorspiel-Vorstand Bodo Erdmann fest. Homo-Sport sei nicht zuletzt durch die Eurogames „etwas Normales geworden“. Mit dem Leichtathletikverband führte Vorspiel einen jahrelangen Rechtsstreit und erzielte immerhin einen Teilerfolg: Den Ableger Schwuler Sportverein SSV mußte der Verband aufnehmen. Vorspiel selbst bleibt dies weiterhin verwehrt, weil die Funktionäre die Kombination von „schwul“ und „Vorspiel“ für anstößig halten.

„Die Strategie, PolitikerInnen als SchirmherrInnen für Sportveranstaltungen zu gewinnen, ist aufgegangen“, sagt Bodo Erdmann. Als im vergangenen Jahr die Berliner Parlamentspräsidentin Hanna- Renate Laurien (CDU) dem Gay and Lesbian Run ihren Segen erteilte, drohten Sportfunktionäre mit ihrer Verweigerungshaltung ins Abseits zu geraten. „Das war der Durchbruch.“ Seit einem Jahr treffen die Aufnahmeschreiben geradezu in Serie ein: Im April 1995 wurde Vorspiel Mitglied im Schwimmverband, im Frühjahr 1996 folgten der Triathlon- und Badminton-Verband. Dies ist nicht nur ein politischer Erfolg, es hat auch handfeste Vorteile. Die Mitgliedschaft im Verband ist Voraussetzung für die Teilnahme an Wettkämpfen und die Teilhabe an öffentlichen Geldern.

„Im sportliche Alltag fallen sämtliche Vorurteile schnell zusammen“, sagt Bodo Erdmann über die Begegnungen mit den heterosexuellen Sportlern. Einige Verbände boten sogar Unterstützung für die Eurogames an. Der Schwimmverband entsandte ein Dutzend Kampfrichter und half bei der Vermittlung von Schwimmhallen.

Der Deutsche Tischtennis- Bund hat als Preis sogar einige Trikots mit Unterschriften der NationalspielerInnen gestiftet. Eine Geste, von der sich Robert Golinski vom schwulen Tischtennisverein PINK PONG Signalwirkung erhofft. Denn für schwule Spieler, die in Heterovereinen trainieren, sei es nach wie vor schwierig, offen aufzutreten. Bei seinen Spielen in der Berliner Kreisliga machte das offen schwule Team bislang gute Erfahrungen. Die Reaktionen schwankten zwischen „wohlwollender Gleichgültigkeit und verhaltenem Interesse“, so Golinski.

Die Verbände kommen auch nicht mehr umhin, die sportliche Leistung der Homo-Sportler anzuerkennen. Schließlich wurde Vorspiel-Schwimmer Uli Garld im Frühjahr Berliner Meister in der Altersklasse der 30- bis 35jährigen. Zuvor erschwomm er den Titel des Norddeutschen Vizemeisters. Und auch in der Leichtathletik hat Vorspiel mit Wolfgang Klare einen Berliner Meister über 10.000 Meter vorzuweisen.

Doch trotz dieser wachsenden Toleranz gibt es noch Bastionen der Homophobie. Vier Verbände, darunter der Deutsche Tanzsportverband, reagierten auch auf die dreifache schriftliche Anfrage der Eurogames-Veranstalter nicht auf die Bitte nach einem Grußwort.

Nach wie vor nehmen aus Angst vor beruflichen Nachteilen kaum homosexuelle ProfisportlerInnen an den Eurogames teil. Einige wenige Prominente sind mit von der Partie, doch sie wollen nicht genannt werden. Die einzige, die die Öffentlichkeit nicht scheut, ist Tatort-Kommissarin Ulrike Folkerts, die erneut am Schwimmwettbewerb teilnimmt. Im vergangenen Jahr hatte der Deutsche Fußballbund (DFB) den Fußball-Nationalspielerinnen per interne Anweisung verboten, an den Eurogames teilzunehmen. Dabei ist es ein offenes Geheimnis, daß der DFB die Frauen-Bundesliga dichtmachen könnte, wenn er die lesbischen Fußballerinnen ausschließen würde. Dorothee Winden