Fußball – eine Frauendomäne

In Berlin stehen die sportlichen Hierarchien kopf: Frauen dreschen auf den Ball ein, Männer spielen als Cheerleader auf. Über 3.000 SportlerInnen tummeln sich bei den lesbisch-schwulen Eurogames  ■ Von Dorothee Winden

„Schwules Tischtennis – muß das denn sein?“ fragen die Tischtennisspieler des Berliner Vereins „Pink Pong“ mit einem Schuß Selbstironie. Im nächsten Atemzug wird die Frage entschieden bejaht. „Männersport in Deutschland ist konservativ, altbacken und teutonisch“, sagt ein „Pink Pong“- Spieler. „Wer in höheren Spielklassen spielt, gibt sich in seinem Verein meist nicht zu erkennen. Wenn sich da einer outet, wird er geschnitten.“

So sind die Eurogames, die lesbisch-schwulen Europameisterschaften, für viele SpielerInnen eine der seltenen Gelegenheiten, in einer homofreundlichen Umgebung zu spielen. Zugleich soll das Sportfest für mehr Akzeptanz von Lesben und Schwulen werben. Zu der Veranstaltung, die in diesem Jahr in Berlin stattfindet, sind über 3.000 AthletInnen aus 540 europäischen Städten angereist. Bis zum Sonntag stehen Wettkämpfe in 17 Sportarten auf dem Programm. Neben Volleyball, Badminton, Fußball und Leichtathletik gibt es auch ungewöhnlichere Disziplinen wie den Cheerleading-Wettbewerb. Was beim American Football sonst eher eine Randerscheinung am Fußballfeld ist, hat sich hierzulande zur eigenen Sportart gemausert. Bislang ist das Wedeln mit den überdimensionalen Pompons vor allem eine Schwulendomäne, während Fußball bei den Eurogames wie gewohnt von den Lesben dominiert wird.

„Beim Tischtennis sind die Lesben spielstärker“, sagt Anand Pant von „Pink Pong“. Sie seien „mutiger und präsenter“. Viele, die in Heterovereinen spielen, kommen zu den Eurogames. Die Sporthalle, in der 16 Tischtennisplatten aufgestellt sind, ist vom Klicken der kleinen, weißen Bälle erfüllt. Die SpielerInnen spielen sich ein. „Das Niveau ist ganz schön hoch“, sagt Sabine, eine Hobbysportlerin, zu ihrer Partnerin. „Ich seh' uns in der ersten Runde fliegen.“ Die junge Erzieherin tritt in der B-Klasse an. „Dabei sein ist alles“, sagt sie sich.

Barbara spielt für einen Berliner Tischtennisverband in der Bezirksliga. Blitzschnell und scharf wechseln die Bälle. „Im Verein wissen alle, daß ich lesbisch bin“, sagt sie. Unter neun aktiven Spielerinnen sind drei Lesben. Auch wenn einige Frauen im Verein sehr reserviert auf ihr Lesbischsein reagieren, würde sie nicht in einen Lesbensportverein wechseln. „Ich trainiere gerne mit Männern, weil mich das weiterbringt“, sagt sie. Ihre Freundin kommt am Wochenende mit zu den Turnieren. „Wir mögen die Hilde gerne“, sagt Margret, Barbaras heterosexuelle Mannschaftskameradin. Sie werden gemeinsam das Doppel bestreiten. „Ich hab' da keine Berührungsängste.“ Sie will sich auch den Cheerleader-Wettbewerb anschauen und an der Abschlußgala für die SportlerInnen teilnehmen.

Bei den Eurogames ist eine gute Kondition auch wegen der zahlreichen Parties von Vorteil. Manche, wie Johan aus dem belgischen Gent, sind schon das dritte Mal dabei. Der 35jährige Computerfachmann bestreitet mit seinem Freund das Badminton-Doppel. Insgeheim sind die beiden Hobbysportler froh, daß ihr Turnier nur einen Tag dauert.

Ausgerichtet werden die Eurogames von „Vorspiel“, einem Berliner Sportverein, der in diesem Jahr sein zehnjähriges Jubiläum feiert. Waren sie 1986 noch eine eher exotische Erscheinung im Sportbetrieb, ist die Akzeptanz auch auf seiten der offiziellen Sportverbände gewachsen. Mit Ausnahme des Leichtathletikverbandes ist „Vorspiel“ inzwischen in mehrere Fachverbände aufgenommen worden.

Schirmherr der Eurogames ist der Regierende Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen (CDU). Selbst Bundespräsident Roman Herzog wünschte in einem Grußwort gutes Gelingen. Und die Berliner Sportsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) ehrte 200 der TeilnehmerInnen mit einem Empfang.

Öffentliche Gelder flossen für das Sportfest nicht – dafür fanden sich etliche Sponsoren. Daß sich unter ihnen allerdings kein einziger Sportartikelhersteller befindet, werten die OrganisatorInnen als Indiz dafür, daß es mit der Akzeptanz des Homosports noch nicht so weit her sei. Zuweilen entpuppten sich die Gaben der Sponsoren aber auch als Danaer-Geschenk. Coca- Cola und Gatorade spendierten für jedeN TeilnehmerIn zwei Getränke. Der Kommentar eines Sportlers: „Wir bleiben auf einem Berg von Müll sitzen.“