■ Karadžić gibt den Machtkampf noch nicht verloren
: Niederlage der Diplomatie

Ein Deal mit dem bosnischen Serbenführer Radovan Karadžić ist das absolut falsche Signal. Selbst wenn es dem Chefkoordinator für den zivilen Wiederaufbau Bosniens, Carl Bildt, nach tagelangem Gezerre gelungen sein sollte, Karadžić zu einem Rücktritt auf Raten von seinen Ämtern zu bewegen, wäre damit seine tatsächliche Machtfülle noch nicht gebrochen. Im Hintergrund könnte er unangetastet weiterhin die Fäden seiner extremistisch-nationalistischen Politik ziehen. Ein derart ausgehandelter Rücktritt des „Präsidenten“ der „Republika Srpska“ in Bosnien ist kein Sieg, sondern eine Niederlage der internationalen Diplomatie, ein Eingeständnis der Schwäche und eine Kapitulation vor den schlimmsten Kriegstreibern auf dem Balkan.

Ein solcher Deal macht allen mutmaßlichen Kriegsverbrechern im ehemaligen Jugoslawien Hoffnung, doch noch ungeschoren davonzukommen. Ein internationaler Haftbefehl gegen Karadžić, wie ihn der deutsche Außenminister Kinkel noch am Wochenende gefordert hat, wäre die mindeste Antwort der internationalen Gemeinschaft. Nach den Bestimmungen des Dayton-Abkommens hätte der bosnische Serbenführer ohnehin längst an das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ausgeliefert werden müssen. Verantwortlich für seine Überstellung ist nach US-Angaben die Regierung in Belgrad. Doch selbst der serbische Präsident Slobodan Milošević ist bis jetzt nur auf verbale Distanz zu seinem einstigen Schützling gegangen. Auch hier wäre verstärkter internationaler Druck dringend geboten.

Der bosnische Serbenführer wird weiterhin um seine Macht pokern. Mit seinen erfolgreichen taktischen Scharmützeln vom Wochenende hat Karadžić klargemacht, daß er den Machtkampf unter den bosnischen Serben noch nicht verloren gibt. Und ein Königsmörder hat sich in Pale oder Banja Luka noch nicht gefunden. Der geschaßte bosnisch-serbische Regierungschef Kasagić hat sich nach Bestätigung seiner Absetzung durch das bosnisch-serbische Parlament in sein Heimatdorf abgesetzt, aus Angst um sein Leben. Nicht Verhandlungen à la Bildt werden den mutmaßlichen Kriegsverbrechern in Bosnien Mores lehren. Die Ifor-Truppen müssen endlich den klaren Auftrag erhalten, die in Den Haag angeklagten Kriegsverbrecher aufzuspüren und festzunehmen. Ohne ein Mindestmaß an Gerechtigkeit kann es in Bosnien Versöhnung und Frieden nicht geben. Georg Baltissen