Rot-Grün ohne Begeisterung

■ Koalition in Kiel steht – die Probleme warten schon

Die erste Hürde für eine rot-grüne Koalition in Kiel ist genommen, mehr aber auch nicht. Zwar sehen die klaren Voten von SPD und Bündnisgrünen auf den ersten Blick wie ein stabiles Fundament für die Regierung aus, aber das sind sie nicht. Eher gequält haben sich die Grünen dafür entschieden, ihr Wahlversprechen einzuhalten und der bundespolitischen Bedeutung eines rot-grünen Bündnisses in Kiel – das vierte in der Republik – Rechnung zu tragen. Nicht nachsagen lassen wollten sie sich, daß sie sich wie trotzige Kinder verhalten, sondern daß sie nach 18 Jahren ohne landespolitische Erfahrung auch als Parlaments- und Regierungsneulinge sehr wohl in der Lage sind, Verantwortung zu übernehmen.

Lautstark hatten zwar die Gegner der Koalition medienwirksam ihre Proteste angemeldet. Doch ihnen ist es nicht gelungen, ihren Widerstand zu koordinieren. Zu sehr hatten die jeweiligen Verfechter allein ihre Interessen im Auge, und zu oft wurde aus dem Bauch argumentiert. Es machte den Eindruck, als ob die Gegner ihre grüne Kuschelecke im Land behalten wollten. Die Landesvorstandssprecherin Susanne Böhnert-Tank brachte dieses Unbehagen auf den Punkt: „Unser Landesverband hat nur ein Problem: Wir verlieren mit der Annahme des Vertrages unsere landespolitische Unschuld.“ Ausschlaggebend für die klare Zustimmung war deshalb die Rede der Ostseeautobahngegnerin Adelheid Winking-Nikolay, die der Koalition zwar zustimmte, aber darauf pochte, daß nicht der Zwang bestehe, die vier Jahre durchzuhalten. Ihr Plädoyer für eine Reise mit Rückfahrkarte dürfte die Unentschiedenen überzeugt haben.

Die SPD wird das nicht gern hören, doch es wird ihr letztlich egal sein. Daß die Koalition kein Spaziergang wird, weiß Ministerpräsidentin Heide Simonis. Aber Verständnis wird die Pragmatikerin, die von ihrer Basis zu Rot-Grün gedrängelt werden mußte, für grüne Befindlichkeiten kaum aufbringen. Deshalb wird es vor allem für die grünen Parlamentarier und Minister eine Wanderung auf einem schmalen Grad. Der SPD würde es durchaus ins Kalkül passen, wenn sich die Grünen selbst so zerrieben haben, daß ihnen ein Scheitern des Zweckbündnisses möglichst kurz vor der nächsten Landtagswahl in die Schuhe geschoben werden könnte. Kersten Kampe