: Die grüne Kröte willigt in die Ehe ein
■ Koalition in Schleswig-Holstein nimmt Hürde der grünen Basis: Große Zustimmung auf Landesparteitag
Kiel (taz) – Das rot-grüne Bündnis in Schleswig-Holstein ist perfekt. Mit klaren Mehrheiten haben SPD und Bündnisgrüne den Weg für die vierte rot-grüne Koalition in der Republik frei gemacht. Entgegen den Erwartungen stimmten bei den Bündnisgrünen auf dem Parteitag in Kiel fast zwei Drittel der Mitglieder für das Vertragswerk. 77 von 121 Delegierten votierten mit Ja, 42 mit Nein. Anders als bei den GenossInnen, die sich auf ihrem Parteitag in Neumünster nach einer müden Debatte mit nur 4 Neinstimmen fast geschlossen hinter die Koalition stellten, waren bei den Grünen stundenlange heftige Auseinandersetzungen um das Für und Wider des Bündnisses vorausgegangen.
Hauptkritikpunkt: der Bau der Ostseeautobahn A 20, den die grüne Fraktion in den Koalitionsverhandlungen nicht hatte verhindern können. Mehrere GegnerInnen der Trasse hatten den Weg in den Versammlungsraum im Kieler „Haus des Sports“ mit Protestplakaten gepflastert. Doch die KoalitionsgegnerInnen beschränkten ihre Kritik nicht nur auf diese Niederlage. Sie bemängelten fehlendes grünes Profil und „zu schwammige Formulierungen“ im Koalitionsvertrag ebenso wie mangelhafte Information der Basis während der Verhandlungen. Karsten Hinrichsen aus Brokdorf, der selbst in der Unterkommission Energie saß, warf den zwölf Chefunterhändlern „Geheimdiplomatie“ und mangelndes Rückgrat vor: Die SPD habe die Verhandlungen gar nicht an die Wand fahren können, „weil ihr euch wie eine Gummiwand immer weiter zurückgezogen habt“. Schelte mußten die Bündnisgrünen auch von Initiativen und Verbänden einstecken.
Mit einer knappen Zustimmung hatten die BefürworterInnen des Vertrags bereits am Nachmittag gerechnet. Dennoch begab sich die zur Unterstützung nach Kiel gekommene Bundesprominenz in die Bütt. Keinesfalls wolle sie die „bundespolitische Keule schwingen“, erklärte Bundesvorstandssprecherin Krista Sager, um dann doch – ebenso wie ihr Amtskollege Jürgen Trittin – auf die bundespolitische Bedeutung hinzuweisen. Die beiden Landesvorstandssprecher räumten zwar Fehler während der Verhandlungen ein, erinnerten aber an das rot-grüne Wahlversprechen ihrer Partei. An die Wand gemalt wurde auch das Schreckgespenst einer sozialliberalen Minderheitsregierung, toleriert von der dänischen Minderheit.
Nach Auszählung der Stimmen fielen sich die KoalitionsbefürworterInnen erleichtert in die Arme, bei einer Zustimmung von 64 Prozent steht eine Spaltung des Landesverbandes nun nicht mehr bevor. Mit einem noch besseren Votum wurden die beiden grünen MinisterInnen nominiert: 83 von 111 Delegierten stimmten für den Bundestagsabgeordneten Rainer Steenblock als Umweltminister und die ehemalige Lübecker Frauenbeauftragte Angelika Birk als Ministerin für Frauen, Jugend und Wohnungsbau.
Glückwünsche gab es auch von Heide Simonis, die nun am Mittwoch als Ministerpräsidentin gewählt wird. „Simonis hat die grüne Kröte geschluckt, da kann kein Bein mehr rausrutschen“, freute sich die zwischenzeitlich als Ministerin gehandelte Bundestagsabgeordnete Angelika Beer. Und als Dank und Glückwunsch verteilten die Grünen zum Schluß – gänzlich untypisch – rote Rosen. Kersten Kampe
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