■ Automat an der Hauswand
: Wie Kippenkästen funktionieren

Er gibt mein Geld nicht mehr her. Ich vergewissere mich, daß niemand uns beobachtet, und dann hau' ich ihm eine runter. Nichts. Meine Hand tut weh. Aber er weigert sich weiterhin standhaft, mein sauer verdientes Fünfmarkstück wieder rauszurücken. Das macht er mit Absicht. Er haßt mich.

Über jede mittelgroße Stadt verteilt, gibt es rund 1.000 von seiner Sorte: Zigarettenautomaten. Aufgehängt werden sie von Automatenfirmen – und alle diese Kippenkastenaufhänger schimpfen! Denn: Fast jede Woche müssen sie über ihre Lieblingskästen im Polizeibericht lesen. „Automaten aufgebrochen“ lauten dann die Schlagzeilen.

Gernot Gilotha, Gebietsverkaufsleiter einer Automatenfirma in Darmstadt, klagt: „Der Gesetzgeber geht mit den Automatenknackern einfach zu lasch um; die Strafen sind zu leicht!“ Fast alle Täter sind Jugendliche. Viele sogar unter 16. Wenn sie das erste Mal beim Knacken erwischt wurden und einen festen Wohnsitz nachweisen können, dann passiert ihnen meist gar nichts. Erst beim zweiten oder dritten Mal drohen vier bis sechs Wochen Jugendgefängnis. „In letzter Zeit“, so Gilotha, „häufen sich die Schubladenbrüche.“ In diesen Fällen lassen die Täter schlicht die Zigaretten mitgehen. Früher waren sie nicht so gnädig: Vor einem Jahr noch wurden meistens die ganzen Fronttüren aufgebrochen. Des Geldes wegen. „Und bei Automaten, die auf Ständern stehen, klopfen die sogar manchmal die Rückwand auf, um ans Geld zu kommen“, klagen die Herren über die deutschen Kippenkästen.

In den meisten Städten hängen von 6- bis 24-Schächtern alle Automatengrößen. Am verbreitetsten ist wohl der 10-Schacht-Automat. In jedem seiner Fächer stecken 20 Schachteln. Gesamtinhaltswert: 1.000 Mark. „Aber“, so Anton Straub, Inhaber der Straub-Automaten KG, „meist sind grade mal 200 Mark im Automaten, und eine Menge Knacker werden auch erwischt!“

Was aber, wenn man vom Automaten beraubt wird? Kein Problem: Auf jedem von ihnen steht eine Servicenummer: „Einfach anrufen und die Adresse angeben“, sagt Anton Straub, „dann wirft Ihnen unser Monteur vor Ort eine Schachtel in den Briefkasten, oder wir schicken Ihnen mit der Post einen Fünfmarkschein.“ Schummeln gilt übrigens nicht: Spätestens beim zweiten oder dritten fingierten Fünf-Mark-Verlust wird der Monteur den Braten riechen.

Je nach Standort wird ein Automat zwischen ein- und viermal pro Monat aufgefüllt. Wem die nächste Zigarettenstation zu weit ist, der kann bei den Automatenfirmen anrufen und um einen näheren bitten. „Die Leute wollen den Automaten halt am liebsten direkt vor der eigenen Tür“, erzählt Gernot Gilotha. „Dann prüfen wir eben, ob sich der Platz rentiert. Und wenn wir dort einen Kasten anbringen, dann wird der Wandbesitzer zum ,Automatendulder‘ und bekommt Umsatzprovision.“ Aha. Mein Nachbar bekommt also auch noch Geld dafür, daß sein Automat meine Gesundheit gefährdet. Rund 12.000 Mark kostet ein solcher Kippenkasten übrigens. Und wenn ihn vorher keiner aufbricht, hält er gut 20 Jahre. In der Nähe von Schulen werden die Zigarettenboxen übrigens nicht gern aufgestellt, und am allerliebsten hängen die Automatenherren ihre Kisten an Fußgängerkreuzungen. Ganz so einfach ist das natürlich nicht. Die deutsche Bürokratie schlägt auch hier wieder gnadenlos zu: Wer einen Zigarettenautomaten aufhängen will, muß bei der Stadt ein Genehmigungsverfahren in die Wege leiten und – da bleibt dem Raucher die Luft weg – einen „Bauantrag“ dafür stellen. Frank M. Ziegler