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Das Borisland verliert

World Team Cup: Die Becker-Truppe unterliegt der Schweiz – und ihr Chef nervt manche ganz gehörig  ■ Von Jörg Winterfeldt

Bielefeld (taz) – Über die Startzusage von Boris Becker beim World Team Cup in Düsseldorf war Hans Klosterkemper besonders erfreut. Becker, schwärmte der Turnierdirektor, sei „bei jedem Turnier der Welt wichtig“. Insbesondere, wenn er auch noch gewinnt. Gestern verlor er allerdings in der Auftaktbegegnung gegen die Schweiz sein Einzel gegen Marc Rosset 6:7 (4:7), 4:6 – und die Deutschen das Spiel, weil danach auch David Prinosil unterlag (6:3, 1:6, 3:6 gegen Jakob Hlasek). Im anderen Spiel der „roten Gruppe“ war das Doppel ebenfalls bedeutungslos, weil Spanien gegen Schweden beide Einzel gewonnen hatte (Costa - Larsson 6:2, 6:3, Bruguera - Enqvist 1:6, 6:4, 6:4).

„Ich bin auf diesem Belag eben einfach nicht so gut“, sagte Becker danach. Er mag vielleicht nicht unbedingt den Düsseldorfer Sand, doch dafür schätzt er den Cup-Modus: Die Regularien der ATP- Tour verfügen, daß die Nummer 1 eines jeden Teams seine Mitstreiter selbst auswählen darf. Also hat Becker seine alten Freunde in den Rochusclub gebeten – neben Prinosil darf Carl Uwe Steeb mal wieder für Deutschland dabeisein, und Patrick Kühnen auch. Und, meldet der Turnierdirektor, er habe sich schon aus der Ferne nach dem Ankunftstermin von Pilic erkundigt, „um eine gemeinsame Taktik festzulegen“.

Das mag ein Gnadenakt sein, denn die Machtverhältnisse sind nicht zuletzt seit Limoges deutlich abgesteckt: Niki Pilic ist nicht mehr als Deutschlands „Bundes-Handtuchhalter“ (Sport-Bild) und Beckers „Befehlsempfänger“ (tennis magazin). Der Tennis-Monopolist allein entscheidet, wen er düpieren will, wo und wie.

Im letzten Herbst im Daviscup gegen Rußland etwa ließ er am Finaltag den verdutzten Kollegen Karbacher unvermittelt nach dem Essen wissen, er möge seinen Platz einnehmen: Karbacher verlor glatt in drei Sätzen. Heuer in Limoges wollten Insider bereits nach der Ankunft erkannt haben, daß Becker sich nicht allzu intensiv mit einem Einsatz beschäftigt hatte: Reist er gewöhnlich mit Familie, Entourage und Unmengen Gepäck, so traf er in Frankreich mit wenigen Taschen und spärlichem Schlägermaterial, aber ohne den Anhang ein.

Als Becker eine Stunde vor Meldeschluß David Prinosil aus dem Doppel ausbootete, war Michael Stich zu Hause am Fernseher „so ein bißchen der Spaß vergangen“. Obwohl DTB-Generalsekretär Günter Sanders darob ungehalten zuletzt am Rothenbaum Gesprächsbedarf anmeldete, verschwand Becker nach seiner Achtelfinal-Niederlage gegen den Östereicher Schaller eiligst, doch nicht ohne zu höhnen, daß der Verbandsmann (55) „wohl noch nicht so lange im Geschäft ist wie ich“.

Sanders gibt ihm immerhin ein Zehntel ab von den 25 Millionen Mark, die die Ufa dem Verband pro Jahr für die Fernsehrechte am Daviscup und an den deutschen Turnieren zahlt. Dennoch muß er die „Sphinx aus Bogenhausen“ (tennis magazin) auch noch wohl stimmen, für alle Anliegen der Föderation zur Verfügung zu stehen.

Auch sonst geht der Weltranglistenfünfte in diesen Tagen manchen gehörig auf die Nerven. Am letzten Montag etwa wollte er am Scharmützelsee nahe Berlin zugunsten von Aktion Sorgenkind und Beckenbauer-Stiftung golfen. Eineinhalb Tage vor dem Termin ließ er wissen, er könne leider seine „Trainingsvorbereitung auf die French Open nicht unterbrechen“. Die hinderten ihn zwei Tage darauf nicht, nach Bordeaux zum UEFA-Cup-Finale seiner Bayern zu jetten, um bis nachts um zwei in der Herberge „Sofitel“ Beckenbauers Danksagungen zu lauschen.

Was zeigt: Über die Jahre hat Boris Becker (28) sich auf der Grundlage seines geschätzten Karriereverdienstes von 150 Millionen Mark seine Welt angenehm konditioniert. Interviews, wie zuletzt in Focus, geraten wohltemperiert („Müssen Sie selbst einkaufen gehen?“), unangenehme Themen nicht ins Gespräch.

Einzig der Kollege Stich wagt gelegentlich die Hof-Rebellion, andere haben resigniert. „Der hat seine Privilegien, da kann keiner was sagen“, hat Hendrik Dreekmann erkannt, „und wenn sie was sagen, schneiden sie sich meist ins eigene Fleisch.“ Daviscup-Spieler Dreekmann hat eigentlich nichts gesagt – in Düsseldorf ist er dennoch nicht dabei.

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