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: Widerrede erlaubt

„Wünsch dir was“, Sonntag, 13.45 Uhr, 3sat

„Guten Abend. Ich heiße Dietmar Schönherr, bin 75 Jahre alt, immer noch progressiv, und ich mache heute zusammen mit meiner lieben Ehegemahlin Vivi die 250. Jubiläumssendung von... Wie hieß das noch... ,Wünsch dir was‘...“

Man schrieb das Jahr 1972, als Dietmar Schönherr diese als Rückschau getarnte kühne Vorausschau wagte. Lange vor der 250. Ausgabe aber wurde die Sendereihe abgesetzt. Nicht infolge Zuschauermangels – interne Streitigkeiten waren der Grund. Heutzutage würde manch ein Programmdirektor für eine Sehbeteiligung von bis zu 66 Prozent noch ganz andere Dinge in Kauf nehmen als durchsichtige Blusen, Schlangen in Geldbehältern oder Friedensreich Hundertwassers skurril anmutende Ökopropaganda.

Die Zeiten waren schon sehr anders. Das Fernsehen traute sich was und schuf, unter Mitarbeit unter anderem André Hellers und Guido Baumanns, eine Spielshow, die sich dem sozialen Lernen und der Selbsterkundung widmete und dabei Spaß und Spannung keineswegs ausklammerte. Über die Jahre ist die Sendung gewöhnungsbedürftig geworden – denn man hatte Zeit damals, sehr viel Zeit. Lang und umständlich erklärte Dietmar Schönherr die einzelnen Spiele, Pausen waren zugelassen, aktionsarme Passagen gehörten zum Konzept ebenso wie die offene Inszenierung, die die Produktionsbedingungen auch für die Zuschauer am Bildschirm transparent machte.

Die KandidatInnen, je eine vierköpfige Familie aus Österreich, der Schweiz und Deutschland, würden inzwischen nicht mal mehr zu einem Casting eingeladen werden, so sehr mangelte es ihnen an Eloquenz. Bei der „100.000 Mark Show“ oder „Glücksspirale“ sind funktionierende Darsteller gefragt, „Wünsch dir was“ bot einen gewissen Spielraum für Individualisten: „Sie können sagen, was Sie wollen“, bescheinigte Schönherr einem Kandidaten auf dessen gleichsam devote Anfrage hin, und selbst eine ausführliche Widerrede gegen eine als willkürlich empfundene Punkteverteilung war gestattet.

Noch anderes hat sich in der Zwischenzeit geändert. Derweil Dietmar Schönherr das Thema des Abends erläuterte, dirigierte Vivi Bach den Familienhund Dymki und hatte auch sonst nicht viel zu sagen. Soviel steht fest: Linda de Mol und Ulla Kock am Brink würden das nicht mit sich machen lassen... Harald Keller