Mandela kommt als Bittsteller

■ Bei seinem ersten Staatsbesuch in Deutschland wird der südafrikanische Präsident Mandela über wirtschaftliche Zusammenarbeit reden, strafende Worte über die Vergangenheit kann er sich nicht leisten

Johannesburg (taz) – Wenn Südafrikas Präsident Nelson Mandela heute zu seinem ersten Staatsbesuch in Bonn eintrifft, wird es nicht um die Vergangenheit gehen. Denn Mandela, bei dem deutsche Politiker einiges lernen könnten über den Umgang mit der Vergangenheit und über Versöhnung, kann es sich schlicht nicht leisten, dieses Thema anzuschneiden. Er sei sehr aufgeregt über den Besuch, erklärte der Präsident gestern in Johannesburg. Die Beziehungen zwischen beiden Staaten sind traditionell gut, so gut, daß die Bundesrepublik sich nie an die Wirtschaftssanktionen gegenüber Mandelas totalitären Vorgängern gehalten hat.

Zu den Unterredungen mit Bundespräsident Roman Herzog, Bundeskanzler Helmut Kohl, Finanzminister Theo Waigel und Vertretern von Banken und Industrie kommt Mandela als Bittsteller, als Präsident eines Landes, das sowohl eine gewaltige gesellschaftliche Transformation zu bewältigen hat, als auch die klassischen Probleme von Entwicklungsländern. Die Bundesrepublik ist heute der zweitgrößte ausländische Investor am Kap; in rund 300 deutschen Unternehmen arbeiten 60.000 Menschen. Und sie ist einer der wichtigsten Handelspartner für Südafrika. Es gibt aber ein Ungleichgewicht in den Handelsbilanzen beider Staaten. Die Bundesrepublik exportierte im vergangenen Jahr Waren im Wert von 5,73 Millionen Mark nach Südafrika, das bedeutet gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung von 16,5 Prozent. Umgekehrt wurden nur Waren im Wert von 5,73 Millionen Mark importiert (4,1 Prozent Steigerung). Langfristig, so Mandela gestern, müsse dieses Ungleichgewicht abgebaut werden.

Neben einer Rede im Bundestag am Mittwoch, dem politischen Höhepunkt des dreitägigen Besuchs, wird es deshalb vor allem um den Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen gehen. Südafrika hofft auf einen erleichterten Zugang zum europäischen Markt und setzt dabei auf den Einfluß des Kanzlers. Außerdem will Mandela für direkte Investitionen in Südafrika werben. Denn auch zwei Jahre nach dem Regierungswechsel liegt die Arbeitslosenquote immer noch zwischen 40 und 50 Prozent, und die ausländischen Investoren sind zögerlich, nicht zuletzt wegen der immens hohen Kriminalität im Land.

Zumindest bei der Förderung von kleinen und mittelständischen Industrien trifft Mandela bei Kohl auf offene Ohren. Das versicherte der Kanzler bereits bei seinem ersten Staatsbesuch am Kap im September vergangenen Jahres. Außerdem unterzeichneten beide Staaten ein Investitionsschutzabkommen, das den Kapitaltransfer erleichtert. In Berlin wird Mandela am Donnerstag mit dem Deutschen Industrie- und Handelstag zusammentreffen. Ein gemeinsames Mittagessen mit Wirtschaftsvertretern gibt den Auftakt zu einer „Initiative südliches Afrika“ der deutschen Industrie, unter der Schirmherrschaft des Vorstandsvorsitzenden von Daimler-Benz, Jürgen Schrempp. Dabei wird es nicht nur um Südafrika selbst, sondern um die Förderung von Unternehmen im gesamten südlichen Afrika gehen.

Auch in seiner Rede vor dem Bundestag, die die CSU-Fraktion am liebsten verhindert hätte, werden die Wirtschaftsbeziehungen im Mittelpunkt stehen – so steht es zu vermuten. Das war auch bei Kohls Besuch in Südafrika so. Die jetzigen Gastgeber haben vor allem ein wirtschaftliches Interesse am Kap, weit weniger ein politisches. Strafende Worte seitens Mandela über ein unrühmliches Kapitel deutscher Außen- und Wirtschaftspolitik und darüber, daß seine Partei bei CDU und CSU als marxistische Terrororganisation galt, wird man deshalb vergeblich erwarten. Und auch daß die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung bis heute die Inkatha- Freiheitspartei unter Innenminister Mangosuthu Buthelezi unterstützt, wird wohl kein Thema sein. Kordula Doerfler