Der Speck ist weg

■ Endlich antworten die soziokulturellen Einrichtungen auf die Sparzumutungen – mit einem Aufschrei

Fünf vor zwölf sei es, sagt man für gewöhnlich in Krisensituationen. Doch hat sich mal jemand überlegt, was man in fünf Minuten alles machen kann? Zähne putzen, anziehen, mit der Bürste durchs Haar fahren und die Tür ins Schloß schlagen.

Carmen Emigholz, Kulturdeputierte der SPD, ist zwar beileibe keine Spätaufsteherin, doch in den verbleibenden fünf Minuten vor der Entscheidung der Kulturdeputation am morgigen Donnerstag hat sie noch Großes vor. „Mehr als 200.000 Mark“ an WAP-Mitteln (Wirtschaftspolitisches Aktionsprogramm) wurden im Haushalt aufgetrieben, die nun zum „Abfedern“ der zusätzlichen Härten dienen sollen, die durch die massiven Kürzungen dem soziokulturellen Bereich drohen.

Somit dürfte der Nacht-und-Nebel-Aktion, mit der der Haushaltsausschuß vor vier Wochen schon die Kürzung der Mittel beschlossen zu haben schien, ein letzter Riegel vorgeschoben werden, erfuhr die taz auf Anfrage. Denn bei der morgigen Entscheidung in der Deputation versucht Emigholz, einen Einschnitt abzuwenden, den die Haushälter von SPD und CDU eigenmächtig beschlossen hatten. Unvermittelt wollten sie 230.000 Mark den Bürgerhäusern und noch einmal 120.000 Mark dem Lagerhaus streichen. Selbstverständlich zusätzlich zu dem Betrag von 85.000 Mark, um den die staatlichen Zuwendungen eh schon lange gekürzt waren. 200.000 Mark aus einem abgeblasenen Kulturprojekt, die in diesem Jahr nicht abgerufen werden, kämen da recht. Und die Chancen stehen gut, denn sie sei sich mit Frau Motschmann (CDU) „einig“, sagte die SPD-Politikerin Emigholz.

Das ist auch dringend nötig, denn bei der gestrigen Pressekonferenz im Lagerhaus nahm die „LAG Soziokultur“, ein Zusammenschluß der soziokulturellen Zentren der Stadt, Aufstellung zu einem „Aufschrei“. Seit Jahren wird gespart, immer mal wieder habe man ein paar Prozent irgendwie weggesteckt. Damit sei jetzt Schluß. Weitere 20 Prozent, die im Haushalt 96/97 den ehemaligen Topf von 5 Millionen auf 3,8 Millionen Mark reduzieren, seien einfach nicht tragbar. „Vor der großen Koalition hatte man uns eine Aufstockung aus dem Bildungstopf in Aussicht gestellt“, erinnert Helmut Plaß an die alten Zeiten. Doch die sind unweigerlich vorbei.

In einer „gemeinsamen Erklärung zu den vorgesehenen Ein-sparungen bei der Förderung der Soziokultur“ legten sie den Stand der Dinge dar. „Weitere Ein-sparungen werden katastrophale Auswirkungen haben: erfahrenes, qualifiziertes und hochmotiviertes Personal muß entlassen werden.“ Helmut Plaß vom Lagerhaus, das allein 205.000 Mark einsparen soll, erläuterte: „20 Prozent Mittelkürzung, das läuft bald auf 50 Prozent hinaus“, denn es fehlt das Personal, um Drittmittel einzuwerben. „Die Hälfte der Zeit sind unsere Leute jetzt damit beschäftigt, ihre eigene Finanzierung sicherzustellen.

Leid sei man es auch, sich bei jeder Verhandlung selbst erklären zu müssen. Das Bremer Theater habe es da leichter gehabt, da wisse halt jeder, was auf dem Spiel steht. „Pierwoß hat einen offensiven Kampf geführt, das hat sich jetzt ausgezahlt.“ Ob die soziokulturellen Einrichtungen nicht schon zweimal das Weckerklingeln überhört haben, wenn sie erst jetzt, wo alles fast beschlossen ist, Alarm schlagen? „Wir waren wohl etwas naiv, daß wir so lange geglaubt haben, wir kämen ungeschoren davon“, räumte Frank Borris vom Ortsamt Neustadt ein.rau