Der schwierige Weg zur Toleranz

■ Ein deutsch-deutsches Schülerzeitungsprojekt aus Hessen und Thüringen und die Schwierigkeit, in Berlin „Wege für Verständnis und Toleranz“ zu suchen

Wie schwer es ist, Vorurteile abzubauen, zeigte sich in diesen Tagen an einer Gruppe von JungredakteurInnen der deutsch-deutschen Schülerzeitung Countdown. Dabei waren sie mit der Absicht nach Berlin gekommen, eine Ausgabe zum Thema „Wir suchen gemeinsam Wege für Verständnis, Toleranz und gegenseitige Anerkennung“ vorzubereiten.

Die 15- und 16jährigen fuhren eine Woche lang kreuz und quer durch die Stadt. Sie trafen sich mit obdachlosen Jugendlichen, informierten sich bei Drogensüchtigen, besuchten den Verein „Freie Hilfe“, der straffällige junge Menschen unterstützt, trafen sich mit diversen Streetworkern und unterhielten sich mit dem Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, und jüdischen Kids.

Nun ist Countdown nicht irgendeine Zeitung, sondern ein besonderes Projekt. Der Versuch, Vorurteile zu überwinden, stand für die beiden betreuenden Lehrer bei der Gründung vor vier Jahren am Anfang. Die eine Hälfte der Redaktion kommt von der Gesamtschule Taunusstein in Hessen, die andere von der Regelschule Crawinkel in Thüringen. Das Zeitungsprojekt hat bereits mehrere Preise bekommen, unter anderem von der Robert-Bosch-Stiftung; das Preisgeld ermöglichte unter anderem den Aufenthalt in Berlin.

Untereinander haben die Schüler keine Probleme. „Wenn es Unterschiede gibt, dann eher die zwischen Hessen und Thüringern und nicht zwischen Ossis und Wessis“, versichert Jan aus Taunusstein. Doch manche Aussage überrascht. Drei Mädchen aus Crawinkel gefiel das U-Bahn-Fahren nicht: „Zu viele Ausländer, die gucken einen schief an und man wird betatscht.“

Jasmin aus Taunusstein widerspricht: „Das ist Quatsch, darüber diskutiere ich gar nicht.“ Für sie ist das eher ein „Mann-Frau-Problem“ und hat nichts mit Nationalitäten zu tun. „An sich“ hätten sie ja nichts gegen Ausländer, schränken die drei Schulfreundinnen dann auch ein, „nur gegen die, die rumlungern“. Angenehm überrascht seien sie von den Jugendlichen jüdischen Glaubens gewesen: „Die sahen ja ganz normal aus.“

Den Jugendlichen wird die Auseinandersetzung mit Vorurteilen nicht von allen Pädagogen leichtgemacht. Ausgerechnet eine Mitarbeiterin der „Gedenkstätte Haus der Wannsee-Konferenz“, wo 1942 die Nationalsozialisten die Vernichtung der europäischen Juden beschlossen, zeigt eine ausgesprochen geringe Bereitschaft, sich die Meinungen der Jugendlichen zu Rechtsradikalismus anzuhören.

Bei der Redaktionssitzung in der Gedenkstätte konfrontiert die Mitarbeiterin die siebzehn Mädchen und drei Jungs mit pauschalen Urteilen. Vor allem jugendliche Außenseiter würden sich rechtsradikalen Gruppen anschließen, „weil sie dort Rückhalt bekommen“. Den Einwand einer Schülerin, daß eine politische Einstellung „nichts mit Intelligenz zu tun“ habe, bügelt sie ab: „An den Universitäten gibt es keine Nazis.“ Als wiederum Jan aus Taunusstein meint, Jugendliche würden sich rechtsradikalen Gruppen anschließen, weil sie schlechte Erfahrungen mit Ausländern gemacht hätten, würgt sie die Debatte mit der rhetorischen Frage ab: „Bist du in einer solchen Gruppe?“

Manche Countdown-RedakteurInnen fühlen sich vom Berlin- Aufenthalt bestätigt. Sabine aus Crawinkel fährt mit der Überzeugung zurück, daß es bei ihr zu Hause keine Probleme wie Obdachlosigkeit oder Drogen gäbe. Andere sind auf der Suche „nach gemeinsamen Wegen für Verständnis“ neugierig geworden. Jan resümiert: „Wenn ich aus einer Stadt wie Berlin zurückkomme, frage ich mich, was mach' ich eigentlich in meinem Dorf.“ Tobias Rapp