: „Studiengebühren sind das letzte Mittel“
■ Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Erichsen, plädiert für sozial verträgliche Gebühren
taz: Herr Erichsen, auf der Suche nach Finanzquellen für die Universitäten stieß die Hochschulrektorenkonferenz schon vor geraumer Zeit auf die Studiengebühr. 2.000 Mark sollte ein Student jährlich berappen, um die Kassen der Hochschulen aufzustocken. Ist dieser Vorschlag ernstgemeint?
Hans-Uwe Erichsen: Ja. Allerdings sind Studiengebühren das letzte Mittel. Sie müßten nicht in die Diskussion gebracht werden, wenn die Länder ihrer Finanzverantwortung für die Hochschulen genügen würden. Außerdem ist niemand in der Hochschulrektorenkonferenz bereit, Gebühren zu akzeptieren, wenn sie sozial selektierende Wirkungen auf den Zugang zum Studium haben.
Schon heute kommen nur 17,6 Prozent aller Studierenden aus einkommensschwachen Familien, mehr als 55 Prozent stammen aus Familien der oberen Einkommenschichten.
Ich denke auch nur an diese 55 Prozent. Es stellt sich doch die Frage, ob zur Sicherung der Qualität einer Hochschulausbildung nicht besserverdienende Eltern Studiengebühren für ihre Kinder bezahlen sollten. Das ganze müßte natürlich durch eine vernünftige Bafög-Regelung ergänzt werden.
Verändert sich ein Bildungssystem nicht durch solche Gebühren? Immerhin wird der Professor dadurch zum Dienstleister, der Student zum Kunden.
Das wäre in der Tat eine Schreckvorstellung für mich. Aber ich bin nicht davon überzeugt, daß Bildung zur Ware wird. Außerdem sind einige Elemente des Wettbewerbs im Hochschulsystem sicherlich nicht von Nachteil. Wenn dem Studierenden eine gewisse Marktmacht zuteil würde, könnte das durchaus qualitätssteigernd für die Lehre sein. Zahlt ein Student Gebühren, so hoffe ich, daß er sehr viel kritischer auf die Leistungen schaut, die ihm angeboten werden.
Das wirkt sich doch nur in Fächern aus, die arbeitsmarktpolitsch sinnvoll sind. Wissenschaft würde sich also am gesellschaftlichen Mainstream orientieren.
Das halte ich bei 1.000 Mark pro Semester für ausgeschlossen. Diese Summe deckt nicht die Kosten, aber kostendeckende Gebühren wären eh irreal. Ungeachtet der aktuellen Nachfrage gilt bei Fächern, die ich kulturpolitisch für ungeheuer wichtig halte, wie etwa die Kunstgeschichte, daß der Staat eine Existenzgarantie geben müßte.
Sie erwarten, daß die Studiengebühren tatsächlich in die Kassen der Universitäten fließt?
Das ist keine Erwartung, für mich ist das Conditio sine qua non.
In Berlin wird künftig von den Studierenden eine Verwaltungsgebühr von 100 Mark erhoben. Und dieses Geld fließt mitnichten in die Kassen der Universitäten, sondern dient allein der Sanierung des Landeshaushalts.
Studiengebühren zum Zweck der Haushaltssanierung sind für mich nicht akzeptabel.
Ist Bildung in unserer Gesellschaft überhaupt noch ein öffentliches Gut?
Natürlich. Jeder demokratische Staat tut gut daran, seine Bürger zu bilden. Angesichts der zugespitzten staatlichen Haushaltssituation muß man jedoch auch sehen, daß der einzelne im Hinblick auf seine spätere Lebensgestaltung von besserer Bildung profitiert. Und zwar völlig unabhängig vom Staat – ganz egoistisch. Von daher ist Bildung teilweise auch ein privates Gut.
Dann plädieren Sie letztlich also auch dafür, daß man das Schulgeld wieder einführt?
Studiengebühren sind für mich die Ultima ratio. Ich plädiere nicht dafür, sondern füge mich der Not. Bei Schulgeld kriege ich eine Gänsehaut. Interview Karin Flothmann
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