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Mit 1.000 Mark sind Sie dabei!

Studiengebühren sind ein Muß, meinen die einen. Immerhin könnten sie die Finanzmisere der Hochschulen lindern. Andere befürchten, daß durch sie die vielbeschworene Chancengleichheit bei der Bildung verlorengeht. Derweil gehen einige Bundesländer längst eigene Wege. Studiengebühren gehören also bald schon zur Realität  ■ Von Karin Flothmann

Der Wissenschaftsstandort Deutschland im Jahr 2010: Noch immer sind die Hörsäle an den Universitäten überfüllt. Doch die Finanzlage der Hochschulen hat sich ein wenig entspannt. Seit gut einem Jahrzehnt zahlen die StudentInnen des Landes jährlich 2.000 Mark, um in den Genuß akademischer Weihen zu kommen. Die Wissenschaftsminister der Länder denken bereits über eine Erhöhung dieses Betrags nach. Ein unwahrscheinliches Zukunftsszenario? Nein. Um die Finanznot der Universitäten wenigstens teilweise zu lindern, plädieren schon heute eine Reihe von Bildungspolitikern und Hochschullehrern für Studiengebühren. Im internationalen Vergleich aller Ausgaben für den Hochschulbereich, gemessen an den gesamten Staatsausgaben, liegt die Bundesrepublik nach einer OECD-Studie unter den betrachteten 21 Staaten auf dem letzten Platz. Sechs Milliarden Mark, so der Chef der Hochschulrektorenkonferenz, Hans- Uwe Erichsen, fehlen den Universitäten jährlich. „Würde nur jeder zweite der knapp 1,9 Millionen Studierenden pro Semester 1.000 Mark aufbringen“, frohlockt er, „so wären dies knapp zwei Milliarden Mark jährlich, immerhin ein Drittel unseres Defizits.“

Überwiegend gesetzte Herren aus Universitäten und Ministerien trafen sich in der vergangenen Woche auf Einladung des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) in Bielefeld, um in anderen Ländern nach Argumenten für die Einführung von Studiengebühren zu suchen. Diese Gebühren, darin war man sich einig, dürften nicht zur Ausgrenzung sozial Schwacher führen. In Australien oder den Niederlanden (siehe Kästen), davon ist CHE-Chef Detlef Müller- Böling überzeugt, sei dies gelungen. „Studiengebühren“, so lautet sein Fazit, „sind aus finanzpolitischen Gründen zur Qualitätssicherung des deutschen Hochschulsystems unerläßlich.“

Der Mann steht mit seiner Forderung nicht allein. Peter Glotz (SPD) wirbt seit geraumer Zeit in den eigenen Reihen für die 1.000-Mark-Gebühr. Berlins Wissenschaftssenator Peter Radunsky (CDU) würde sie lieber heute als morgen einführen. Vorerst tut's in Berlin auch eine Verwaltungsgebühr von 100 Mark pro Semester. Im SPD-regierten Niedersachsen wird geprüft, ob ein solches Modell übertragbar wäre. Und auch die neue Regierungskoalition in Baden-Württemberg hat ihr Zukunftsmodell schon in der Schublade liegen. Mit Hilfe von Bildungsgutscheinen sollen StudentInnen im Ländle künftig schneller und effektiver studieren. Ab dem 14. Semester, so sieht es die Koalitionsvereinbarung zwischen CDU und FDP vor, werden Gebühren in Höhe von 1.000 Mark fällig.

Studiengebühren, so lautet ein gern wiederholtes Argument, würden auch dazu beitragen, LangzeitstudentInnen aus den Universitäten zu vertreiben. Auf diese Weise, so Müller-Böling, könnten auch „erschlichene Subventionen“ abgebaut werden. Immerhin sparten „Scheinstudierende“ rund 1.200 Mark pro Semester ein, indem sie von verbilligten Krankenkassenbeiträgen, kostenloser Kontoführung und anderen Vergünstigungen profitierten.

Solcherart Abschreckung durch Studiengebühren ist für Nordrhein-Westfalens Wissenschaftsministerin Anke Brunn völlig inakzeptabel. Unlängst veröffentlichte sie elf Thesen für ein kostenfreies Studium. „Wer länger studiert, weil er als Germanistik-Student noch EDV-Seminare belegt oder eine Fremdsprache lernt“, sollte für diese Zusatzqualifikation nicht mit Gebühren büßen, ist ihre Meinung. Brunn ist davon überzeugt, daß Studiengebühren unweigerlich neue soziale Barrieren schaffen würden. Immerhin stammen schon heute rund 55 Prozent aller Studierenden aus gutbetuchten Elternhäusern. Nur ein knappes Viertel aller StudentInnen erhält noch Bafög, um den eigenen Lebensunterhalt während des Studiums zu bestreiten. 1.000 Mark machen etwa 14 Prozent des studentischen Einkommens pro Halbjahr aus. „Warum“, so fragt sich da Anke Brunn, „kommen gut verdienende Befürworter von Studiengebühren nicht auf die Idee, selbst 14 Prozent ihres Einkommens als Solidaropfer freiwillig ihrer ehemaligen Hochschule zu spenden?“

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