Nordirland vor dem Talk

■ Sinn-Féin-Chef Adams bekennt sich zu Demokratie und Gewaltfreiheit

Dublin (taz) – Genau drei Wochen vor Beginn des Runden Tisches in Nordirland hat sich die IRA-nahe Partei Sinn Féin zu Gewaltfreiheit und Demokratie bekannt. Man werde die sechs Mitchell-Prinzipien anerkennen, sagte Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams am Montag abend. Der frühere US-Senator George Mitchell hatte als Vorsitzender einer Sonderkommission, die dem nordirischen Friedensprozeß neues Leben einhauchen sollte, im Januar einen Bericht vorgelegt. Darin schlug er unter anderem vor, daß sich die Teilnehmer an den Allparteiengesprächen auf ausschließlich friedliche Mittel verpflichten, die paramilitärischen Verbände entwaffnen und drängen sollen, der Gewalt abzuschwören.

Adams' Bekenntnis zu den Mitchell- Prinzipien sei ja schön und gut, ließen die Regierungen in London und Dublin unisono verlauten, aber den Worten müssen Taten folgen: Ohne einen neuen IRA-Waffenstillstand dürfe Sinn Féin nicht an den Allparteiengesprächen teilnehmen. Bei den Unionisten lösten Adams' Worte nahezu Bestürzung aus. Man hatte sich auf einen exklusiven Talk Gleichgesinnter nebst der harmlosen sozialdemokratischen SDLP eingerichtet, die einem keine wesentlichen Kompromisse abfordern würde, doch nun muß man härter um den Status quo kämpfen. Unionisten-Chef David Trimble wittert hinter dem Adams-Schachzug einen Trick, um bewaffnet an den Runden Tisch zu gelangen. Sinn Féin müsse gleich zu Beginn der Allparteiengespräche dafür sorgen, daß die IRA ihre Waffen herausrückt, forderte Trimble.

Ganz so verblüffend, wie einige Zeitungen behaupten, ist Adams' Anerkennung der Mitchell-Prinzipien nicht. Schließlich hat Sinn Féin bereits im Januar erklärt, daß sie mit dem Bericht der Sonderkommission leben könne. Doch dann landete er vorerst im Papierkorb, weil Major – auf Druck der Unionisten, von deren Stimmen er im Unterhaus abhängt – Wahlen für ein nordirisches Forum ausrief. Die IRA kündigte daraufhin ihren 17 Monate alten Waffenstillstand auf, und Major kramte den Mitchell-Bericht wieder aus dem Mülleimer. An den Wahlen hielt er freilich fest: Sie finden in acht Tagen statt, Überraschungen sind dabei nicht zu erwarten.

Man wundert sich jedoch über den Zeitpunkt der Adamsschen Erklärung. Er deutet darauf hin, daß die IRA nicht daran denkt, ihren Waffenstillstand so bald zu erneuern, auch wenn zwei britische Boulevardblätter das für heute in Aussicht gestellt haben. Wahrscheinlicher ist es, daß Adams eine klare Trennung von Sinn Féin und IRA vornehmen wollte, damit seine Partei auf ihren Platz am Runden Tisch pochen kann, auch wenn die IRA weitere Bomben in London zündet.

Auch aus IRA-Quellen war zu erfahren, daß mit einer Waffenruhe vorerst nicht zu rechnen sei. „Wir müssen vorher so viele Zugeständnisse herausholen wie möglich“, sagte ein Sprecher zur taz, „schließlich ist das unser letztes Druckmittel. Aber ob wir das noch vor Beginn der Allparteiengespräche am 10. Juni erreichen, ist ungewiß.“ Sollte das nicht der Fall sein, werden dort ein paar Stühle leer bleiben. Ralf Sotscheck