Der Stummen Einverleibung

■ Karin Beier inszeniert Gombrowicz' Yvonne, die Burgunderprinzessin

Auf einer Parkbank fängt das ganze Unheil an. Da sitzt Yvonne mit ihren beiden Tanten, die auf ihr herumhacken, weil sie so trübe und antriebslos ist, daß selbst der eben vorbeikommende Hofstaat sich amüsiert. Im Scherz bittet Prinz Philipp um Yvonnes Hand. Bei Hofe wird aus dem Scherz bald bitterer Ernst, denn Yvonnes Stummbleiben wirkt wie ein völliges Verweigern jeder Konvention und hebt die Hof-Welt aus den Fugen. Die grundlegendsten Gesetze zwischenmenschlichen Miteinanders funktionieren bei Yvonne nicht, sie reagiert nicht wie gewöhnliche Menschen auf ein Wort, auf ein Lächeln. Sie reagiert gar nicht.

„Dieses Stück ist wie ,Aschenputtel' mit der denkbar schlechtesten Wendung am Ende“, meint Regisseurin Karin Beier, die das tragikomische Werk von Witold Gombrowicz am Schauspielhaus inszeniert. Zwei Aspekte des Stücks interessierten sie besonders: Einerseits Gombrowicz' Umgang mit den Darstellern, die sich – in seiner sehr gestischen Annäherung – situativ entblättern. Und andererseits die Konfrontation einer Kultur und eines kreatürlichen Wesens.

„Yvonne“, so die Regisseurin, „ist ein Mensch, der viel stärker in ihrem Körper wohnt, überhaupt in sich wohnt. Das irritiert natürlich alle. Der ganze Hof erfährt dadurch eine Erotisierung.“ Doch nicht durch Ausgrenzung versucht die Hofgesellschaft die Bedrohung in den Griff zu bekommen, sondern durch Einverleibung – ein, so die Regisseurin, absolut heutiger Aspekt. „Der Prinz sagt einmal: ,Man kann alles, alles ist erlaubt.' Das ist genau sein Dilemma: Es gibt keine Reibungspunkte. Wer erwachsen wird, findet aber sehr schwer zu sich selber, wenn er das nicht über Abgrenzung tun kann.“

Yvonne bleibt in ihrer Abgrenzung fast stumm und sollte trotzdem nicht autistisch wirken – eine Herausforderung für die junge Caroline Ebner, die – wie die Regisseurin – ab der nächsten Spielzeit fest ans Haus kommt (und noch eine Wohnung sucht). Auch der Darsteller des Königs, Schaubühnen-Größe Werner Rehm, ist demnächst fest im Ensemble. Seine Königin dagegen ist schon stadtbekannt: Ilse Ritter gibt die für sie wie handgestrickte Rolle der Margarethe.

„Ich bin zynisch, rechne auf den Effekt, auf die Poesie und besonders auf den szenischen Wert“, sagte Gombrowicz über seine Theaterarbeit. Als „Yvonne“ Mitte der 60er Jahre uraufgeführt wurde, rechnete man sie dem absurden Theater eines Ionesco, der Richtung eines Beckett zu – und vergaß, daß der Text aus den 30er Jahren stammte. Wichtig für Gombrowicz war Alfred Jarry, weniger das Theater des Absurden. Seine schwarze Boshaftigkeit war existentieller als die von Ionesco. Und trotzdem – wie „Yvonne“ – zugleich sehr komisch.

Thomas Plaichinger