Vulkan-Geduldsfäden reißen

■ Die Vulkanesen sind es leid, sich für eine ungewisse Zukunft erpressen zu lassen

Beim Vulkan regiert Frust und Wut. Auf die Vorgesetzten, die mit ihren Managementfehlern, ineffizienter Arbeitsorganisation und fehlerhaften Zeichnungen die Werft in die Pleite gesteuert haben. Und auf die IG Metall und den Betriebsrat, die sich nach Ansicht vieler Arbeiter von Betriebsleitung, Konkursverwalter und Politikern erpressen lassen. Das sei wieder die alte Kumpanei auf Kosten der Arbeiter, fürchten viele.

„Wir machen noch bis zum 2. Juni mit. Wenn dann nicht die neuen Aufträge drin sind, ist Schluß“. Vulkan-Arbeiter, die so reden, sind noch die gemäßigte Fraktion auf der Vegesacker Werft. Viele ältere Kollegen sind es leid, immer neue Zugeständnisse zu machen damit das Land Bremen seine Bürgschaften spart und der Pleite entgeht.

So sehen das die Vulkanesen, die am Dienstag abend im Bürgerhaus Vegesack versammelt sind. Die von der IG Metall und dem Arbeitnehmeranwalt Jörg Stein (Erfinder der Beschäftigungsgesellschaft Mypegasus) weitgehend mitgetragene „Horrorliste“ der Betriebsleitung, die unbezahlte Mehrarbeit, Kürzung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes, Streichung von Pausen und Überstundenprozenten vorsieht, werde er nicht unterschreiben, so ein Mittfünfziger. Am Dienstag verhandelte Konkursverwalter Jobst Wellensiek, der bei den Personalkosten 20 Prozent einsparen will, um kostedeckend zu werden, in Genua mit Reeder Costa um den Weiterbau von Costa 2. Zwei Containerschiffe könnten gebaut werden, weil der Reeder die Bauzeit im Gegensatz zu den sonst üblichen Gepflogenheiten selber finanzieren will. Doch die Baukosten müßten nach Aussage eines Insiders auf 70 Millionen Mark gedrückt werden. „Was soll das alles“, fragt der ältere Kollege wütend, „am Ende landen wir doch auf der Straße. Ich bin es leid, mich für eine ungewisse Zukunft erpressen zu lassen“.

Warum hat sich die gemäßigte Fraktion Anfang Juni als „Deadline“ gesetzt? Am 5. Juni soll das Containerschiff 109 vom Pier in Vegesack ins Dock der Lloyd-Werft nach Bremerhaven gebracht werden, denn die Docks des Vulkan sind vom Rohbau des Kreuzfahrtschiffes Costa 2 belegt. „Wenn wir diesen Pfand aus der Hand geben, können die uns noch leichter erpressen“, sagt Betriebsrat Rolf Spalek. Solange das Schiff nicht ausgeliefert werde, seien die Bürgschaftsmillionen für Bremen verloren. Solange lassen die uns nicht fallen, so die stille Hoffnung der Arbeiter.

Inzwischen durchzieht ein tiefer Riß die einst als so solidarisch gepriesene Vulkan-Belegschaft. Diejenigen, die als Leiharbeiter der Mypegasus malochen und die anderen, die seit dem Konkurs vor drei Wochen ohne Nachricht von ihrem neuen „Arbeitgeber“ zu Hause hocken. „Selbst wenn sie mich zurückholen: Ich gehe da nicht mehr hin. Wenn ich nur in die Nähe des Vulkan komme, kriege ich Herzrhythmusstörungen“, beschreibt ein Schlosser seine Gefühle. Zu tief sitzt der Ärger über jene, die ihn aus der Arbeitsgruppe ausgesiebt und nach Hause geschickt haben. Die alten Kumpels grüßten heute nicht mal mehr. Ein ausgemusterter Betriebsdachdecker erzählt vom „Haß, der einen befällt bei dem Gedanken, warum gerade der noch arbeiten darf, der sich morgens erstmal zu Schläfchen in eine Ecke verzieht“. Und natürlich nerven die Vulkanesen drinnen wie draußen „die Manager, die immer noch in den Büros sitzen und sich den gleichen Schwachsinn ausdenken wie vorher, nur ein paar Stunden weniger“, so ein junger Tischler. Unterdessen „knüppeln auf den Werften viele wie die Schweine“ 55 Stunden pro Woche auf den Werften, besonders auf der Costa 1 in Bremerhaven, ohne eine Pfennig extra, so ein Kollege. unbezahlte Mehrarbeit gehört zum Rettungskonzept. Das, so die Arbeiter, sei glatter Tarifbruch.

Mypegasus-Chef Stein versteht das „Beharren auf der Ordnungspolitik“ nicht. Der Schiffbau könne nur gehalten werden, wenn verschiedene Beteiligte „zu Ader gelassen“ würden und die Zulieferer um zehn und die Arbeit 20 um Prozent billiger würde. IG Metall und Betriebsrat hätten versichert, mit effektiverer Organisation die Arbeitsstunden pro Schiff von 320.000 auf 250.000 senken zu können. „Wenn das stimmt, dann können wir später die angehäuften Stunden bezahlen“, sagt Stein.

Zum Rettungspaket, über das zur Zeit verhandelt werde, gehöre aber auch eine von den Konkursverwaltern zu gründende Vorschaltgesellschaft, die später einmal 20 Prozent der Bauzeitfinanzierungen absichern sollten. Denn das Land dürfe nur noch 80 Prozent verbürgen. Summa summarum bräuchte die Gesellschaft bei einem Auftragsvolumen der Werften von einer Milliarde Mark pro Jahr 200 Millionen. Um die zu bekommen gebe es nur einen Weg: Die Konzernmutter müsse Aktiva flüssigmachen, sprich die Tochterfirma STN Atlas verkaufen. Und natürlich müsse alles sehr schnell gehen, so Stein. Ob das alles noch vor dem 2. Juni klappt, ehe die Arbeiter die Gedult verlieren?

Joachim Fahrun