Bayern will das Dorf sauberhalten

■ Die Landespolizei ist überfordert, der Innenminister nicht

Als Bayerns Staatsanwälte ein Ermittlungsverfahren gegen die Firma Compuserve einleiteten, waren sich die deutschen Medien einig. Nicht etwa die allgegenwärtige Überwachung durch die Zusammenschaltung staatlicher Behörden, unkontrollierte Ganoven- Kommunikation über verschlüsselte E-Mail oder Bankencrashs durch Scheinüberweisungen seien die Gefahr der weltweiten Computernetze, sondern der Versand von pornographischen Bildern. Das Problem der modernen Computerkriminalität, da waren sich die Experten bei einer Diskussion auf dem „Münchner Werbegipfel 96“ (in Zusammenarbeit mit der CSU- Nachwuchsorganisation Junge Union) einig, liegt an anderer Stelle. Viel größerer Schaden werde angerichtet durch computerunterstützten Kredit- und Scheckkartenbetrug, warnte Rechtsexperte Ulrich Sieber, Professor an der Universität Würzburg.

Das stört den bayerischen Innenminister Günther Beckstein aber kaum. Er gibt zwar zu, daß er von der Materie überfordert ist („mein Sohn versteht zehnmal mehr davon“), meint aber trotzdem, der Fall eines Providers sei vergleichbar mit dem Fall eines Kioskbesitzers. Und der wiederum ist verpflichtet, nachzuprüfen, was in den von ihm vertriebenen Zeitschriften steht. Das Internet, schließt Beckstein, falle deswegen nicht unter den Schutz des Post- und Fernmeldegeheimnisses, weil die Daten frei zugänglich seien.

Der Internet-Provider: ein Postbeamter oder ein Kioskbesitzer? Es müsse ein Mittelweg gefunden werden, sagt Beckstein. Werner Paul, Kriminalhauptkommissar am Bayerischen Landeskriminalamt, und Henrik Fulda vom Hamburger Chaos Computer Club warnten in seltsamer Einigkeit wiederholt davor, die Kinderpornos im Netz allzusehr hochzuspielen – wenn auch mit unterschiedlichen Begründungen. Fulda: „Das Netz reguliert sich selbst. Wenn ich keine Kinderpornos sehen will, dann muß ich das im Netz auch nicht. Das Internet spiegelt nur unsere Gesellschaft wider: Was es in der Realität gibt, das gibt es eben auch im Netz.“ Werner Paul dagegen machte der Runde klar, daß er und seine Kollegen ganz andere Sorgen hätten: „Es gibt 3.000 verschiedene Diskettenformate. Wenn Kriminelle ihre Datenbank auf einem etwas exotischen Format ablegen, dann können wir das schon gar nicht mehr lesen. Außerdem haben wir weniger als ein Dutzend qualifizierter EDV-Fachleute.“ Zuviel Inkompetenz wollte er dennoch nicht preisgeben: „Ich werde mich hüten, im Detail zu erzählen, was wir können und was nicht.“ Die Grenzen scheinen aber schnell erreicht. Schon wenn ein Gangster seine Daten beispielsweise in eine Mailbox auslagert, sind sie für die Polizei in fast unerreichbaare Ferne gerückt. kuzy