Surinam: Ehemaliger Diktator vor dem Comeback

■ Heute finden in der früheren niederländischen Kolonie Parlamentswahlen statt

Amsterdam (taz) – Zehn Jahre hat er geduldig auf seine Chance gewartet, nun ist sie wohl da: Desi Bouterse, Ex-Diktator der ehemals niederländischen Kolonie Surinam, könnte bei den Wahlen am 23. Mai auf legalem Weg an die Macht kommen. Seine Neue Demokratische Partei (NDP), einst gegründet als politischer Arm der Armee des 1975 unabhängig gewordenen Landes, liegt nach den jüngsten Prognosen gleichauf in der Wählergunst mit der regierenden Neuen Front, einer Koalition aus vier Parteien.

Bouterse kam im Jahre 1980 nach einem Militärputsch an die Macht und regierte das Land sieben Jahre mit diktatorischen Vollmachten. Ihm werden aus dieser Zeit nicht nur gute Verbindungen zur kolumbianischen Kokainmafia nachgesagt, an seinen Fingern klebt offenbar auch Blut. Im Dezember 1982 ließ er im Fort Zeelandia 15 Oppositionelle töten, die sein diktatorisches Regime angeprangert hatten. Er selbst kommentierte das Ereignis im niederländischen Fernsehen mit den Worten: „Im Krieg gibt es zwei Seiten. Wer gewinnt, hat den Erfolg, wer verliert, der ist eben tot, so wie die 15.“

Paramaribo, die Hauptstadt, scheint dennoch auf die vollmundigen Wahlversprechen Bouterses zu hoffen. Denn den rund 415.000 Einwohnern von Surinam geht es gar nicht gut. Nahezu 85 Prozent von ihnen leben unter der Armutsgrenze. Die Löhne liegen bei durchschnittlich 50 bis 60 Mark im Monat. Es gibt Hunger, Schulen und Krankenhäuser fehlen, und was da ist, verfällt unaufhaltsam.

Ethnische Vielfalt

Die meisten Surinamer können nur aufgrund von Hilfspaketen ihrer in Holland wohnenden Landsleute überleben. Die schicken nicht nur surinamischen Reis, der in Europa billiger ist als im Herkunftsland, sondern buchstäblich alles, vom Klopapier bis zur Zahnbürste. Seit der Unabhängigkeit sind zudem Hunderttausende Surinamer in das einstige Mutterland ausgewandert.

Surinams Einwohner sind zumeist Nachfahren ehemaliger Sklaven. Ein Drittel sind indischen Ursprungs (Hinduisten), ein Drittel kreolisch und rund 15 Prozent muslimisch-javanischen Ursprungs. Hinzu kommen neben Europäern und Indianern noch 10 Prozent sogenannte Buschneger, Nachfahren in den Regenwald geflüchteter Sklaven.

Diese ethnische Vielfalt spiegelt sich in der amtierenden Koalitionsregierung wider. Die Neue Front besteht aus der kreolischen NPS, der hinduistischen VHP, der javanischen KTPI und der sozialdemokratischen SPA. Präsident Venetiaan gehört der NPS an. Die Politik der Regierung war in den vergangenen Monaten durchaus nicht ohne Erfolg. Die Inflation – zeitweise bei 240 Prozent – ist eingedämmt, das Wirtschaftswachstum liegt bei etwa 4 Prozent, die Exporte ziehen an und übersteigen mittlerweile die Importe um 30 Millionen Dollar.

Der niederländischen Regierung dürfte ein Wahlsieg Bouterses einige Bauchschmerzen bereiten. Bouterse soll eigentlich wegen seiner Verwicklung in den Drogenhandel vor ein holländisches Gericht gestellt werden. Dazu aber müßte Paramaribo ihn erst ausliefern. Überdies, so der Europaparlamentarier Jim Janssen van Raay, habe die französische Regierung 1982 vorgeschlagen, Bouterse mit einer gemeinsamen Militäraktion aus dem Weg zu räumen. Der damalige Verteidigungs- und heutige Außenminister Hans van Mierlo lehnte das französische Angebot ab und unterstützte Bouterse sogar mit Waffenlieferungen. Der Europaabgeordnete Janssen fordert jetzt eine Untersuchung vom Haager Parlament. Außerdem drängen die USA Den Haag, endlich etwas gegen die über Surinam abgewickelten Kokaintransporte zu tun. Ed van Zutphen