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Türkische Regierungskoalition am Ende

Tansu Çiller von der „Partei des Rechten Weges“ nennt ihren Koalitionspartner Mesut Yilmaz einen „Dreckskerl“, der sofort zurücktreten müsse. Die Islamisten freuen sich  ■ Aus Istanbul Ömer Erzeren

Die rechtsbürgerliche Koalition in der Türkei steht drei Monate nach ihrer Gründung unmittelbar vor ihrem Zusammenbruch. Mit wüsten Attacken beschuldigten sich auch gestern die Vorsitzenden der beiden Koalitionsparteien, Ministerpräsident Mesut Yilmaz von der „Mutterlandspartei“ und Tansu Çiller von der „Partei des rechten Weges“. Çiller sollte eigentlich nach dem Rotationsprinzip im Koalitionsprotokoll zu Beginn nächsten Jahres das Amt des Ministerpräsidenten übernehmen.

In einer öffentlichen Rede bezeichnete Çiller gestern Yilmaz als „Dreckskerl“, der „sofort zurücktreten“ müsse. Yilmaz sei ein „Schandfleck“. Ihm fehle die Legitimation als Ministerpräsident. Çiller bezieht sich hierbei auf ein Urteil des türkischen Verfassungsgerichtes, das die Abstimmungsmodalitäten beim Vertrauensvotum für die Regierung Yilmaz für ungültig erklärte. Çiller will neue Koalitionsverhandlungen und fordert ein neues Vertrauensvotum. Yilmaz dagegen verdächtigt Çiller, in ihrer Amtszeit Gelder unterschlagen zu haben.

Im Zuge der Schmutzkampagne der Koalitionspartner untereinander treten ungeheure Details ans Tageslicht. Umgerechnet zehn Millionen Mark hat Çiller in ihren letzten Tagen als Ministerpräsidentin aus einem Geheimfonds in bar auszahlen lassen. Aus diesem Fonds werden in der Regel schmutzige Geschäfte des Staates und Geheimdienstaktivitäten finanziert. Üblich ist allerdings, daß die Beträge an zuständige Staatssekretäre überwiesen werden. Eine Barauszahlung kurz vor Amtsübergabe erscheint fragwürdig.

Nachdrücklich hat Mesut Yilmaz seine Vorgängerin aufgefordert, Auskunft darüber zu erteilen, wohin das Geld geflossen ist. Doch Çiller weigert sich unter Verweis auf das Sicherheitsinteresse des Staates: „Selbst wenn ich um mein Leben fürchten muß, gebe ich keine Staatsgeheimnisse preis.“

Zumindest in einem Fall ist allerdings öffentlich geworden, wohin Gelder aus dem Geheimfonds in Çillers Amtszeit geflossen ist. Der Betrüger Selcuk Parsadan kassierte umgerechnet 100.000 Mark, indem er sich als Ex-General Necdet Öztorun ausgab und Wahlpropaganda für Çiller zu organisieren versprach. Der Betrüger wurde vor zwei Tagen gefaßt.

Am 2. Juni finden in mehreren Bezirken Nachwahlen zu den Kommunalparlamenten statt. Die Stimmverteilung zwischen den beiden rechtsbürgerlichen Parteien wird eine entscheidende Rolle spielen, falls ein Neubeginn der Koalition versucht wird. Gegenwärtig kann ohnehin nicht von einer funktionsfähigen Regierung die Rede sein. Minister, die der „Partei des rechten Weges“ angehören, unterzeichnen ohnehin seit geraumer Zeit nicht mehr Kabinettsbeschlüsse.

Nach Zusammenbruch der Koalition wird sich erneut die Frage stellen, ob eine der beiden Parteien nicht mit der islamistischen „Wohlfahrtspartei“ koalieren will. Andernfalls ist der Weg für Neuwahlen geebnet. Angesichts der Feindschaft zwischen den Parteiführern Yilmaz und Çiller scheint eine stabile Koalition nicht möglich. Hauptprofiteur: die Wohlfahrtspartei. Sie wird auch aus Neuwahlen gestärkt hervorgehen.

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