Vom ökologischen Wirtschaften weit entfernt

■ Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes: Bundesregierung philosophiert über nachhaltige Entwicklung, praktiziert aber weiterhin umweltzerstörendes Wachstum

Berlin – Schöne Worte, wenig Taten: So beschreibt das renommierte Berliner Institut für Zukunftsstudien (IZT) die langfristige Umwelt- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung. Die politische Elite habe das Prinzip des nachhaltigen Wirtschaftens zwar formal akzeptiert. Doch zu „einem praktischen Leitziel ist es noch nicht geworden“, heißt es in der gestern veröffentlichten Studie „Nachhaltige Entwicklung“. Die tatsächlichen Ergebnisse der Politik sind sehr mager, faßte IZT- Chef Professor Rolf Kreibich die Untersuchung zusammen, die im Auftrag des Umweltbundesamtes entstand. Die ZukunftsforscherInnen stellen dar, welche Abkommen und Regelungen zur Nachhaltigkeit auf internationaler und nationaler Ebene existieren – zum Beispiel die Klimaschutzkonvention von 1992 in Rio – und welche Maßnahmen in Deutschland bislang umgesetzt wurden. Nachhaltigkeit ist dabei definiert als eine Wirtschaftsweise, die die natürlichen, sozialen und ökonomischen Lebensgrundlagen der Menschheit nicht zerstört, sondern für die nachfolgenden Generationen erhält.

Rolf Kreibich und seine KollegInnen greifen in ihrer Studie ein zentrales Fundament der herrschenden Politik an: das Wirtschaftswachstum. Er sei sich „ziemlich sicher“, so Kreibich, daß Wachstumspolitik und nachhaltiges Wirtschaften nicht miteinander vereinbar seien. Durch das Wachstum würden immer größere Rohstoff- und Energiemengen verbraucht, während genau das Gegenteil notwendig sei. Mit Regelungen wie der Verpackungsverordnung versuche die Bundesregierung zwar, die widerstrebenden Ziele unter einen Hut zu bringen. Doch die ökologische Effizienz sei dabei gering.

So können viele Verpackungen aus Kunststoff nicht wiederverwendet werden. Die Aufarbeitung der recyclingfähigen Behälter verbraucht zusätzliche Energie. Bei der Förderung von Mehrwegverpackungen hingegen könnten Rohstoff- und Energiebedarf tatsächlich sinken.

Ein Armutszeugnis stellen die ZukunftsforscherInnen der Bundesregierung auch bei der Klimapolitik aus. Es existiere ein warenhausähnlicher Katalog von 109 Maßnahmen zur Verringerung des Kohlendioxidausstoßes. Doch weder verfüge die Bundesregierung über Zahlen, welche CO2-Reduzierung die einzelnen Maßnahmen tatsächlich bewirkten, noch habe man nachvollziehbare Prioritäten für die Umsetzung erarbeitet. So sieht Zukunftsprofessor Kreibich die Verpflichtungserklärung der Bundesregierung, die Kohlendioxid-Emissionen bis 2005 um 25 bis 30 Prozent zu reduzieren, ernsthaft gefährdet. Wesentlichen Anteil an der Misere habe die verfehlte Verkehrspolitik, die mit der notwendigen Vermeidung zusätzlichen Verkehrsaufkommens nichts zu tun habe. Ganz im Gegenteil stiegen die Transportleistung und die damit verbundenen Emissionen in Deutschland unvermindert an. Als eine Ursache dafür macht das IZT den Bundesverkehrswegeplan aus, der für den Straßenausbau ähnliche Investitionen vorsieht wie für den Schienenverkehr. „Das reicht für die Verlagerung des Verkehrs nicht aus“, konstatiert das IZT.

Das Zukunftsinstitut hält die drastische Erhöhung der Energiepreise für erforderlich. Der Preis für Autobenzin müsse mittels einer Mineralölsteuererhöhung auf 4,60 Mark angehoben werden. Die Subventionierung der deutschen Steinkohle würde das IZT am liebsten abschaffen und die dann jährlich freiwerdenden 7 Milliarden Mark in regenerative Energiequellen investieren. Hannes Koch