"Keiner will das Image verbiegen"

■ Christoph Tannert, Projektleiter im Künstlerhaus Bethanien, hat gute Erfahrungen mit Sponsoren. Er hält es für unsinnig, zwischen "sauberem" und "schmutzigem" Geld zu unterscheiden. Ein Gespräch

Wenn es ums Sparen geht, denken die meisten an Kultur. Besonders die Kulturschaffenden, die stets mit der Streichung öffentlicher Gelder rechnen. Das ist in der Daad- Galerie nicht anders als an der Schaubühne. Als einzige Alternative scheint sich „Public Private Partnership“ anzubieten, eine Mischfinanzierung von Industriesponsoren und staatlicher Subvention. Doch darüber sind die Meinungen geteilt: Wulf Herzogenrath von der Kunsthalle Bremen befürchtet dabei den Trend zur „Highlight“-Kultur (taz, 9. 2.), der Künstler Klaus Staeck fordert einen „Ethos“-Katalog (taz, 13. 2.) im Umgang zwischen Kultur und Sponsoren.

taz : Das Künstlerhaus Bethanien wird seit einem Jahr zu einem ganz erheblichen Teil von der Philipp-Morris-Kulturförderung als Sponsor unterstützt. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?

Christoph Tannert: Durchweg positive. Zum ersten Mal sind wir in der Lage, von den Künstlern keine Studiomieten mehr verlangen zu müssen. Außerdem hat der Sponsor in keiner Weise versucht, das Image, das wir uns in den letzten zwanzig Jahren erarbeitet haben, zu verbiegen. Seine Selbstdarstellung im Haus und in unseren Katalogen ist sehr zurückhaltend.

Hat sich Philipp Morris selbst so zurückgenommen?

Na ja, es war ein längerer Prozeß der Annäherung. Wir haben ausgiebige Gespräche geführt. Aber wir haben auch schon mit anderen Firmen gearbeitet, und verglichen damit ist unser jetziger Sponsor am zurückhaltendsten vorgegangen. Und das ist genau das, worauf es uns ankam.

Philipp Morris wurde in den USA schon einmal zum Gegenstand der Kunst – bei der Helmsboro-Aktion, mit der der Künstler Hans Haacke Mitte der achtziger Jahre die Unterstützung des rechtsradikalen Politikers Jesse Helms auf einer Zigarettenschachtel anprangerte. Was würde passieren, wenn heute ein junger Künstler im Bethanien die Helmsboro-Aktion von Haacke aufgreift?

Auch kritische Kunst wirkt heute affirmativ. Alles wird von der Macht umarmt. Ich fände ein solches Projekt spannend und der Sponsor bestimmt auch.

Wir haben einen Künstler, Pit Schulz, der eine Arbeit in den Firmenräumen des Sponsors realisieren will. Damit scheint es Schwierigkeiten zu geben. Aber nicht aus kultur- oder sonstwie politischen Gründen, sondern wegen der Berührungsangst von Leuten, die normalerweise nicht so häufig in ein Museum mit moderner Kunst gehen.

Und wenn Pit Schulz die Arbeit im Künstlerhaus Bethanien ausstellen wollte?

Das wäre kein Problem. Pit Schulz hat eifrig über unseren Sponsor recherchiert, als er hier Stipendiat war. Und ich habe bisher von keinen Konflikten gehört, die er dabei gehabt hätte. Man muß auch sehen, daß Kunst heute eine anderes kritisches Potential hat als zu Haackes Zeiten.

Nämlich weniger?

Das würde ich nicht sagen. Die Mittel, mit denen das gesellschaftliche Umfeld unter die Lupe genommen wird, sind sehr viel feiner und diffiziler. Es sind Akupunkturnadeln, die heute gesetzt werden. Die Haudraufpolitik der sechziger Jahre, die Totalkonfrontation von Gut und Böse, die scheint sich zu verschleifen. Es gibt natürlich auch Leute, die immer wissen, was richtig und was falsch ist.

Es gibt Leute, die sagen, daß Sponsoring den Ausverkauf von Kunst bedeutet?

Mit solch pauschalen Urteilen muß man sich vorsehen. Es gibt da ja himmelweite Unterschiede: einmal in der Kunst, die unterstützt wird, und dann in der Selbstdarstellung dessen, der als Sponsor auftritt. Das Bauchbindenkleben, mit Produktlabeln auf dem Kunstobjekt, das soll haben, wen danach verlangt. Bei uns ist die Frage nie aufgetaucht. Wir haben ein großes Gebäude, an dem man viel Werbung anbringen könnte, aber es wurde bei uns noch nicht einmal erwogen.

Ein Sponsor rechnet immer mit einer Gegenleistung für das, was er gibt. Kunst aber hat keinen meßbaren Nutzen. Sind da Konflikte nicht programmiert?

Nein, ich glaube nicht. Was unser Sponsor unterstützt, fällt durch das Clipping unmittelbar auf ihn zurück. Und nur daran sind Sponsoren interessiert.

Daß sie immer wieder erwähnt werden?

Genau, an verschiedenen Orten in der Öffentlichkeit mit dem Firmennamen präsent zu sein, darauf kommt es an. Das ist die Strategie, die hinter jedem Engagement steht, in der Kunst, im Sport, in der Wissenschaft, im sozialen Bereich.

Das Beispiel Sport finde ich gut. Bei den Olympischen Spielen in Barcelona haben die großen Sponsoren Zeitpunkt und Ablauf der Wettkämpfe bestimmt, die in Atlanta nennt man der Einfachkeit halber sowieso nur noch Coca-Cola-Games ...

Sport ist was anderes. Die Größenordnungen kann man nicht vergleichen. Im Kunstbereich funktioniert Sponsoring eher über Understatement. Wir arbeiten mit jungen Künstlern, die sich zu bestimmten zentralen Fragen oder Systemen ausgesprochen kritisch verhalten. Aus der Sicht des Sponsors ist das natürlich eine sehr clevere Art, hier feine Markierungen zu setzen.

So ein cleverer Partner macht Ihnen keine Angst?

Nein, wir sind cleverer. Wir vom Haus gehen nur soweit, wie wir es verantworten wollen.

Das wird akzeptiert?

Genau so ist es. Es gibt kein Mitspracherecht bei künstlerischen oder qualitativen Entscheidungen.

Haben Sie besonders viel Glück gehabt?

Nein, wir haben nur besonders lange und besonders intensiv mit den Leuten geredet. Das ging über verschiedene Vermittlungsinstanzen. Zeitweilig hatten wir auch Art-Consultants eingeschaltet, die uns bei der Suche nach einem geeigneten Sponsor behilflich waren. Die Partnerschaft, wie wir sie nun haben, ist gewachsen. Das hat Zeit und Mühe gekostet und offene Ohren auf beiden Seiten erfordert.

Der Graphiker und Verleger Klaus Staeck hat in einem Interview mit der taz gefordert, einen „Ethos-Katalog“ für Sponsoren aufzustellen, der garantiert, daß Kunst nicht zu reinen Produktdekoration, wie Staeck es nennt, verkommt. Wie realistisch ist so ein Vorschlag?

Ich halte einen solchen „Ethos- Katalog“ als Diskussionsgrundlage für sinnvoll. Aber im Sinne eines gemeinsamen Hausaufgabenmachens ...

Der Sponsoren mit den Künstlern?

Der Sponsoren mit den Künstlern, mit den Ausstellungsmachern, mit den Institutionen. Wenn diese Partner zueinanderkommen, wird das sicher diskutiert werden können.

Ein Sponsor gibt sein Geld nur über einen begrenzten Zeitraum. Sind langfristige Planungen so überhaupt möglich?

Jeder ist sich darüber im klaren, daß Sponsoring endlich ist. Das hat mit Werbepsychologie zu tun, mit soziologischen und wirtschaftlichen Fakten. Das eigentlich Katastrophale ist, daß sich die Politiker im Moment hinstellen und schreien: Der Beutel ist leer, jetzt seht zu, wie ihr selber weiterkommt. Ich habe das Gefühl, die wissen gar nicht, wovon sie reden. Wenn unser Sponsor aussteigen sollte, würde das für uns das Aus bedeuten. Politiker denken, da sitzt irgend jemand in der Industrie, der hat einen dicken Geldsack und ist bereit, den auszuschütten. Das ist ganz großer Unsinn. Niemand wartet nur darauf, sein Geld in die Kultur zu stecken. Es ist immer so, daß Sponsoren erst dann einsteigen, wenn bereits fast alles finanziert ist.

Und das ist nun mal so?

Das muß nicht so sein. Das hängt mit der kulturellen Situation zusammen, in der wir uns befinden. In Amerika, da gibt es ganz andere Finanzierungsformen ...

Fonds beispielsweise ...

Ja, oder auch Mischfinanzierungen. Aber das hat sich bisher in Deutschland nicht entwickelt. Wie das in Zukunft geschehen kann, hängt auch davon ab, ob die Steuergesetzgebung geändert wird.

Klaus Staeck hat die Befürchtung geäußert, daß Ausstellungsmacher und Museumsdirektoren künftig nicht mehr nach ihrer fachlichen Qualifikation ausgesucht werden, sondern nach ihrer Fähigkeit, Gelder aufzutreiben ...

Diese Gefahr sehe ich nicht. Diejenigen, die um die dreißig sind und jetzt in die Jobs drängen, haben häufig Zusatzausbildungen in Kulturmanagement und Marketing absolviert. Es ist aber letztlich nur derjenige für eine solche Stelle geschaffen, der zuerst für Kunst sensiblisiert ist. Ich glaube, da zieht Staeck die rote Karte ein bißchen zu früh.

Wie sieht es aus mit der Qualität? Sponsoren haben doch normalerweise keine Ahnung von Kunst.

Das ist das große Risiko: schlechte Beratung oder bloßes Herumkungeln. Man kann natürlich niemandem eine Jury vorschreiben. Aber man sieht ja, daß es Sponsoren gibt, die sehr gezielt ein bestimmtes Level ansteuern. Und andere, die schlechte Kunst fördern, werden sich damit keinen Gefallen tun. Das sieht man dann einfach.

Wie steht es mit der Autonomie der Kunst? Wie autonom ist Kunst wirklich?

Ich glaube nicht, daß derlei Unsinn existiert. Zumindest habe ich bisher noch keine autonome Kunstposition gesehen. Für mich ist Kunst immer Teil eines bestimmten Systemzusammenhangs. Ob die Werke nun im Atelier stehen und nie gezeigt werden oder ob sie gezeigt werden, ändert nichts an der Tatsache, daß sie von Menschen geschaffen werden, die bestimmten gesellschaftlichen Bedingungen unterworfen sind. Es gibt auch den Fall, wo Kunst auf Kunst antwortet. Das gehört zum Spannendsten, was wir in der Kunstgeschichte gesehen haben. Aber auch das ist nicht autonom.

Sehen Sie einen Unterschied zwischen Geld, das vom Staat kommt, und dem, das ein privater Sponsor zahlt?

Jeder weiß, daß sich kapitalistische Produktion am meisten lohnt und die größten Gewinne macht, wenn sie sich mit Krieg und der Zerstörung des Humanen befaßt. Und man weiß auch, wo in den Schaltzentralen die Überlegungen dafür angestellt werden. Aber nun zu glauben, aus diesem System, das seit 1989 immer mehr Raum gewinnt, aussteigen zu können, das tun die wenigsten. Es steht auch jedem frei, sich zu entscheiden. Wenn Künstler neu ans Haus kommen, kriegen sie einen Zettel in die Hand gedrückt, auf dem hingewiesen wird, daß wir diesen einen bestimmten Sponsor haben. Letzten Endes aber halte ich es für unsinnig, zwischen „sauberem“ und „schmutzigem“ Geld zu unterscheiden, denn der Kreislauf, den das Geld, auch das „Blutgeld“, nimmt, ist nicht zurückzuverfolgen. Man sollte fragen, was gefördert wird. Das ist viel wichtiger.

Gibt es so etwas wie Sponsorenkunst?

Ja, die gibt es. Das ist eine Form von Gebrauchskunst, wie man sie häufig findet. Das muß keine anrüchige Sache sein. Aber bei mir läuft so etwas unter Werbung. Sponsorenkunst ist wie Maskenball: Nach zwölf ist der Spuk vorbei, und danach kommt das große Gähnen. Interview: Ulrich Clewing