Das will ich sehen! Von Klaudia Brunst

„Gott, hat das lange gedauert“, stöhnte unsere Nachbarin, als der Abspann vom „Marienhof“ über den Bildschirm lief, und sich nun also endlich auch Andrea und Babette mit einem herzergreifend unerotischen Filmkuß öffentlich zu ihrer Liebe bekannt hatten.

„Ich glaube, das haben wir nun wirklich hinter uns“, meinte ich erleichtert, „jetzt können wir endlich wieder Doppelkopf spielen, statt uns die ganze Zeit diese blöden Vorabendserien anzugucken.“ – „Ich finde dich ganz schön undankbar“, moserte meine Freundin, während sie das Band mit ihren kostbaren „Marienhof“-Mitschnitten zu den „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“-Kasetten in ihr Bücherregal stellte. „Haben wir nicht all die Jahre immer dafür gekämpft, daß unsere Lebensform endlich auch in den Medien ernst genommen wird? Immerhin ist Stonewall jetzt schon über ein Vierteljahrhundert her! Das mit den Lesben in den Vorabendserien ist doch endlich mal ein Fortschritt. Das hat doch eine Breitenwirkung, da könnten wir jeden Tag über den Ku'damm latschen und würden trotzdem nicht so viele Normalos erreichen! Gerade du als Medienredakteurin solltest dazu eine etwas reflektiertere Einstellung haben.“ – „Ich finde, Klaudia hat absolut recht“, mischte sich nun mein schwuler Freund ein. „Wir haben letzten Sommer auch diesen ganzen Zinober mitgemacht. Da hatten sie sich die Schwulen vorgenommen, und die ganzen Schwestern haben natürlich wie die Pawlowschen Hunde zu Hause vor der Glotze gesessen, statt in den Sub zu gehen. Selbst auf den Klappen war da zwischen sieben und acht immer tote Hose.“ Das sei nämlich in Wirklichkeit eine ganz perfide Strategie der Normalos, uns die Gay-Szene kaputt zu machen, meinte er. „Und dann schreiben sie die Jungs wieder raus, und wir stehen total allein da.“

„Das klingt aber ganz schön paranoid, was du da sagst“, meinte unsere Nachbarin beleidigt, „ich habe das jedenfalls immer ganz gern geguckt. Das war doch total süß, wie die Haromi der Andrea in den Guten Zeiten immer den Nacken massiert hat.“ Zwar sei das nicht unbedingt realitätsnah, wie die lesbischen Sex in Szene setzen würden, „aber dafür erreicht das immerhin ein Millionenpublikum!“

„Aber anstrengend war's doch, jeden Abend ,Marienhof‘ und ,Gute Zeiten‘ zu gucken“, mußte jetzt auch meine Freundin zugeben. „Und meine Mutter hat mich einmal sogar angerufen, und mich gefragt, ob wir uns auch immer so neckisch mit Orangensaftflaschen erotisieren würden. Das ist nämlich gar nicht so unproblematisch mit dem Millionenpublikum. Ich meine, jetzt denken doch alle, wir sähen aus wie diese Andrea von Dornbusch!“ – „Dornhausen!“, korrigierte sie unsere Nachbarin, „Die heißt Andrea von Dornhausen. Und im übrigen muß man eben Zugeständnisse an den Massengeschmack machen.“

„Können wir diese blöde Debatte jetzt nicht endlich beenden“, knatschte mein schwuler Freund, „ich dachte, wir wollten noch Doppelkopf spielen.“ – „Jetzt ist irgendwie schlecht“, gab meine Freundin zurück. „Gleich läuft doch die Lindenstraßen-Wiederholung im Dritten. Ich habe gehört, da geht es jetzt total ab zwischen der Tanja Dressler und dieser Junkie-Schlampe. Das will ich unbedingt sehen.“